SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Es war fremd, muss ich zugeben:
Ich war noch keine achtzehn, zum ersten Mal erlebte ich eine Silvesternacht
ohne meine Eltern und die Geschwister.
War zwischen zwei Musik-Tagungen für diese eine Nacht
bei meiner alten Musik-Lehrerin.
Tante Cläre nannten wir sie – eine tolle Frau. 
Die hatte mir schon als Kind die Flötentöne beigebracht -
und jetzt hatten wir tolle Chor- und Orchestermusik gemacht
und sollten am Neujahrstag zur Kirchenmusik-Woche aufbrechen.

Es geht gegen Mitternacht, draußen wird es allmählich ein wenig unruhig –
und Tante Cläre greift zur Bibel,
schlägt die ersten Seiten auf und liest vor:
Im Anfang schuf GOtt Himmel und Erde;
die Erde aber war wüst und wirr,
Finsternis lag über der Urflut und GOttes Geist schwebte über dem Wasser.
GOtt sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.
GOtt sah, dass das Licht gut war. GOtt schied das Licht von der Finsternis
und GOtt nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht.
Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.

In dieser halben Minute hat das neue Jahr angefangen -
aber Cläre liest weiter – alle sieben Tage der Schöpfung durch.
Wie gesagt: Erst war es fremd. Aber allmählich habe ich gemerkt:
Passt schon.
Wie viel wichtiger ist es, gerade jetzt an den Anfang von allem zu denken,
statt nur den Start eines neuen Jahres wer weiß wie doll zu feiern.
Auch das Jahr 2015 kann ja nur anfangen, hoffentlich,
weil GOttes Schöpferhand und GOttes Liebe
die große Welt und uns kleine Menschen am Leben hält.
Ich war Tante Cläre dankbar, dass sie mir das ohne große Debatte
einfach noch mal vor Augen gehalten hat.

Heute um Mitternacht herum werden Raketen in den Himmel fliegen
und Böller krachen und Sekt und mehr werden fließen – schon gut.
Ich bin froh, dass auch heute Nacht Kirchen und Klöster offen sind;
dass da Menschen beten und uns so
ins nächste Jahr hinüber begleiten. Es sind noch ein paar Stunden bis da hin!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18952
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