Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wandern ist sehr viel anstrengender als am Strand liegen. Und trotzdem tun viele es in ihrem Urlaub – warum eigentlich?

Ein bisschen verrückt ist es ja schon: Statt sich faul an den Strand zu legen und in die Sonne zu blinzeln, steht man in seinem Urlaub früh auf, läuft stundenlang durch die Gegend, ist am Abend verschwitzt und k.o. und hat womöglich Blasen an den Füßen. Und trotzdem: Immer mehr Leute genießen das. Wandern ist wieder in. In den nächsten Tagen tun es allein ungefähr 20.000 Menschen im Saarland, beim 107. Deutschen Wandertag, der heute beginnt. Und viele zigtausend sind in diesen Sommerwochen irgendwo anders auf Schusters Rappen unterwegs, im Schwarzwald oder in Südtirol – oder mancher auch in Spanien, auf dem Weg nach Santia-go. Denn eine besondere Variante des Wanderns ist im Moment auch sehr beliebt: das Pilgern.
Irgendetwas Faszinierendes scheint zu passieren, wenn man zu Fuß durch die Welt wandert, erst recht anscheinend, wenn man religiöse Pfade nimmt. Ich war selbst noch nicht auf Pilger-schaft, aber Wandern, das tue ich jeden Sommer. Meistens in den Alpen, dieses Jahr war ich zwei Wochen in Norwegen. Und oft geht es mir wirklich so, dass ich mich am Urlaubsanfang für ein bisschen verrückt halte: Wäre richtige Erholung jetzt nicht doch netter, Ausschlafen, Nichtstun, nach all dem Stress zuhause? Aber dann geht es los, in die Wanderschuhe und auf den Weg. Und jedes Mal, wirklich jedes Mal mache ich die Erfahrung: Das ist genau die rich-tige Art von Erholung für mich. Beim Wandern komme ich in Bewegung, nicht nur mein Kör-per, auch mein Geist. Ich kann in Ruhe nachdenken, über Dinge, die mir zuhause Sorgen gemacht haben, die mir im Magen liegen – aber auch über Zukünftiges, über Pläne und Träu-me, die in mir schlummern. Und allmählich wandelt sich etwas beim Wandern. Ich wandle mich, verändere mich. Dinge können sich setzen, zur Ruhe kommen – und auch ich komme zur Ruhe. Das ist eine wunderbare Erfahrung und eine wunderbare Erholung. Natürlich hilft dabei auch die oft ganz fantastische Landschaft um mich herum. Wälder, Berge, Seen, wohin das Auge schaut. Beim Wandern wandelt sich auch mein Blick auf die Welt um mich herum: Immer mehr nehm ich sie überhaupt wahr. Und immer dankbarer bin ich dafür.
Wandern, Pilgern: Ein bisschen verrückt ist das wirklich. Weil es einen ver-rückt, weil es ei-nen verändert, verwandelt – an einen neuen Platz rückt.

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