SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Zum Advent eine Geschichte von Aljoscha, Gottes kleinem Lieblingsengel:

Alles war da. Ein Kranz aus Tannenzweigen,

vier Kerzen und ein paar kleine künstliche Miniäpfel,

die den Kranz verschönern sollten. Aljoscha

liebte es, eine alte Tradition

der Menschen in der Adventzeit nachzuahmen. Ihm

gefiel es einfach, auch wenn manche seiner höher

positionierten Kollegen allenfalls ein müdes Lächeln

dafür übrig hatten.

Aljoscha war das egal. Er wusste, dass Advent

und Weihnachten auf besondere Weise die Menschen

anrührte, auch wenn sie nicht immer wussten, warum.

Für ihn hieß Weihnachten, dass der Allmächtige,

gepriesen sei sein Name,

Mensch geworden ist. Auch wenn er als

kleiner Engel dieses große Geheimnis nie ganz

verstanden hatte, hatte es ihn doch immer zum Staunen geführt.

Aljoscha machte die Augen zu und stellte sich

ein Weihnachten ohne Weihnachtsbaum, Lametta

und golden schimmernde Kugeln vor. Die Krippe

blieb immer übrig.

Ochs und Esel waren ihr egal, kein Hirte kniete, erst

recht nicht drei Könige aus dem Morgenland. Aber

das Kind lag in der Krippe, Jesus war der im wahrsten

Sinne „heruntergekommene Gott“. Mit Stillphasen,

Lausbubenstreichen, Stress mit den Eltern, Pubertätsproblemen.

Gott wollte das so. Kein Gottessohn

in Business oder First Class. Ganz unten. Wie

die meisten.

Jesus erlebte am eigenen Leib, was Mensch-Sein

heißen kann. Mit allen Höhen und Tiefen, Siegen

und Niederlagen, Lachen und Weinen, aber immer

hellwach, für alles was neben ihm geschah.

Der kleine Engel wurde sehr nachdenklich.

Hellwach? Konnte man das auch von denen sagen,

die heute seinen Namen tragen, sich Christen nennen?

Waren viele nicht zu still geworden und beschäftigten

sich lieber mit sich selbst? War es nicht

wenigen fast peinlich, als Christen erkannt zu werden?

Besonders traurig wurde er immer, wenn er leichtfertige Sprüche

hörte, die alles in einen Topf warfen und Menschen

sehr verletzen konnten, zum Beispiel die Asylsuchenden

mit ihren oft harten und schmerzhaften

Biographien. Oder war es nicht selten völlig egal, wer

da neu in der Nachbarschaft eingezogen war? Und so

weiter und so weiter…

Aljoscha öffnete die Augen und wusste, dass

noch viel Arbeit vor ihm lag, die Menschen wach zu

halten und ihnen zu helfen, mehr Mensch zu werden.

Fair wie er war, musste er sich aber auch zugeben,

dass vieles schon ohne viel Aufhebens geschah. Aber

mehr wäre besser, dachte der kleine Engel. Viel mehr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18866
weiterlesen...