Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Eine Trauerfeier für einen verstorbenen Ehemann und kein Wort über die Witwe, geschweige denn zu ihr? Heute undenkbar, doch so ging es der Ehefrau von Martin Luther. Bei den Traueransprachen wurde sie übersehen, übergangen.
Sechs Jahre hat Katharina Luther, geborene von Bora, ihren Mann überlebt. Sechs Jahre, die gern übersehen und übergangen werden, wenn von dieser Frau erzählt wird.
Katharina war durch den Tod ihres Mannes Witwe und Alleinerziehende mit drei halbwüchsigen Kindern und hatte es alles andere als einfach. Zwar hatte Martin Luther in seinem Testament Katharina als Alleinerbin  und Vormund der Kinder eingesetzt – aber das war in jenen Zeiten absolut ungewöhnlich und wurde deshalb zunächst nicht anerkannt. Erst als Katharina ihr Recht durchsetzen konnte, war klar, dass sie und ihre Kinder weiter in ihrem Haus bleiben konnten. Doch kaum war das durchgestanden, brach Krieg aus und die Familie musste fliehen. Bei ihrer Rückkehr musste sie praktisch mit Nichts wieder anfangen. Bald darauf war sie erneut unterwegs, weil in Wittenberg die Pest ausgebrochen war. Auf der Flucht vor der Seuche hatte sie einen Verkehrsunfall mit der Kutsche und verletzte sich so unglücklich, dass sie wenige Wochen später starb.
Heute ist der Todestag von Katharina Luther. Ich habe eine tapfere und mutige Frau vor Augen. Sie steht für mich für viele Menschen, gerade auch Alleinerziehende, gerade auch Mütter, die tun, was getan werden muss und die daran auch deshalb besonders schwer zu tragen haben, weil es niemanden mehr gibt, der es mitträgt und teilt. Was sie tun, ist nichts Spektakuläres, nichts für die Geschichtsbücher, einfach das, was anliegt und dran ist, um sich selbst und die Menschen, die einem anvertraut sind, am Leben und im Leben zu bleiben.
Katharina Luther hat sich sechs Jahre lang bis zu Ihrem Tod nicht unterkriegen und den Schneid nicht abkaufen lassen – in juristischen Auseinandersetzungen, in Kriegswirren, in Seuchengefahr. Hut ab vor dieser Frau und allen, die es ihr gleichtun!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18852
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