Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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O, nur noch eine Woche bis Weihnachten! Wenn ich ausdrücken will, dass ich überrascht bin, geht das ganz schnell und einfach – mit einem O. Und wenn ich zur Überraschung noch das Stauen dazu geben möchte, dann wird das Ganze einfach ein bisschen länger: O---. Aber auch Sehnsucht lässt sich damit ausdrücken: O. Kein Wunder, dass die Christen schon vor langer Zeit das O für sich entdeckt haben. Sie haben die Lippen gespitzt und den Mund rund gemacht und gerade im Advent in ganz vielen Liedern mit einem O sehnsuchtsvoll geseufzt: O komm!
Damit sagen Christen: wir wissen, dass Gott nicht einfach „da“ ist. Wir leben nicht mehr im Paradies, das waren andere Zeiten, als sich Gott und die Menschen noch beim Abendspaziergang im Garten Eden begegneten, wenn es nach einem heißen Tag allmählich kühler wurde. Ich versuche mir vorzustellen, wie das damals war: viel Nähe, das ein oder andere Gespräch wohl auch. Aber was die Menschen anging: wenig Verantwortung und wenig Freiheit. O ja, ich kann mir vorstellen, dass Adam und Eva damals trotz des Verbots den Apfel sahen und dachten: O, ein Apfel! Weil er für die Sehnsucht nach etwas Neuem stand, auch wenn das die Trennung von Gott bedeutete. O Mann, was haben die Menschen sich damit eingebrockt! Viel Verantwortung für die Gestaltung der Welt, viel Mühe und Arbeit. O nein, besonders weit sind sie damit nicht gekommen!
Und deshalb rufen Christinnen und Christen im Advent: O, wie schön ist die Schöpfung! O Gott, wie viel liegt trotzdem im Argen! Deshalb, O Gott, bring Frieden und Gerechtigkeit! Vielleicht sind das ja, wenn man sich ganz kurz fassen will, immer noch zu viele Worte. Da genügt vielleicht schon ein einfaches, sehnsuchtsvolles O. Eine runde Sache, so ein O; der ganze Advent in einem Buchstaben. Ich glaube, Gott gefällt das sehr, wenn man so an ihn denkt.

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