SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Gell, Papa, wenn ich mir die Haare so mache, dann bin ich ein Schulkind. Das hat mir unser Sohn neulich erklärt. Dabei hat er sich seine Haare verstrubbelt und vor mir stand dann ein 4-jähriger mit Igelfrisur.
Er hat verstanden, dass es einen Menschen verändert, wenn man z.B. die Frisur verändert. Zumindest äußerlich. Mir sind da die Schüler und die Konfirmanden eingefallen, mit denen ich zu tun habe. Für die ist es unglaublich wichtig, wie sie auf andere wirken und was die anderen über sie denken. Und durch die neuen Medien haben sie da mittlerweile auch viele Möglichkeiten das auszuprobieren. Denn so, wie man sein Profil im Internet z.B. auf Facebook gestaltet – also nicht einfach nur ein Passbild nimmt, sondern sich genau überlegt, wie man auf dem Bild aussehen will – so sehen einen die Freunde. Man kann da gewissermaßen ein Bild von sich machen. Bin ich da eher der coole und lässige Typ. Oder doch vielleicht eher der lustige mit einer Grimasse im Gesicht oder die schöne, die verlegen in die Kamera lächelt?
Fragen Sie sie doch mal ihre Kinder oder Enkel, wie sie ihr Profil gestaltet haben.
An mir selbst habe ich beobachtet: dass sich das mit zunehmendem Alter verändert. Statt „so wäre ich gerne“, wird das „so bin ich“ immer wichtiger. Denn im Laufe der Zeit, habe ich mich ja nun ganz gut kennen gelernt und weiß relativ genau, wer und wie ich bin.
Ich muss dann nicht mehr bei jedem Trend mitmachen und ich muss auch nicht jede zweite Woche mein Profilbild ändern, weil ich mich noch mal anders ausprobieren will.
Vor allem, weil ich inzwischen glauben kann, dass ich gut bin, so wie ich bin. „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“[1] So heißt es in einem Gebet in der Bibel.
Da dankt ein Mensch Gott, dass er ihn so gemacht hat, wie er ist. Ich glaube, wer das für sich und sein Leben so sagen kann, der muss sich nicht immer von seiner Schokoladenseite zeigen. Der darf sich so zeigen wie er ist.
Ich hoffe, dass unser Sohn das lernt. Deshalb habe ich ihm versichert, dass wir ihn lieb haben, wie er ist. Und dass auch ein Kind mit glatten Haaren ein Schulkind sein kann. Auch, wenn das Gott sei Dank noch ein bisschen dauert.


[1] Psalm 139,14.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18832
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