SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Seit Weihnachten vor zwei Jahren bin ich ein noch glücklicherer Mensch. Denn seitdem steht neben meinem Schreibtisch ein Klavier. Einmal in der Woche bekomme ich Klavierunterricht, und dann heißt es: üben, üben, üben. Und jeden Tag gebe ich Martin Luther recht, der gesagt hat: „Musik ist ein reines Geschenk und eine Gabe Gottes, sie vertreibt den Teufel, sie macht die Leute fröhlich und man vergisst über sie alle Laster.“ Musik vertreibt den Teufel. Auf jeden Fall. Denn der hat viele Namen: Trübsinn, Langeweile, Dauergrübeln, Traurigkeit.
Gesungen habe ich schon als Kind sehr gerne. Nicht zuletzt wegen unseres Musiklehrers. Das war Liebe auf den ersten Ton und den ersten Blick. Denn so malerisch wie er saß niemand am Flügel. Niemand konnte sich das lange, schwarze  Haar so hinreißend aus der Stirn streichen wie er. Niemand so schön aus dem Buch „Donnerblitzbub Wolfgang Amadeus Mozart“ vorlesen - und sich anschließend an den Flügel setzen und spielen.
Musik macht fröhlich. Das Merkwürdige: sie macht selbst dann fröhlich, wenn sie ein bisschen schräg gerät. Denn eigentlich singen konnte ich nie. „Du musst den Ton halten“, höre ich meine Mutter. „Hör doch mal genau hin!“ Aber irgendwie ent(ver)rutscht mir der Ton immer wieder. Dafür habe ich fast sämtliche Texte der Lieder behalten, die wir in der Schule gelernt haben. „Nach Frankreich zogen zwei Grenadier“ war mein Lieblingslied, das kann ich noch heute schmettern.
Doch damals hatten meine Eltern kein Geld für so etwas Luxuriöses wir ein Klavier und auch keinen Platz in der Wohnung. Aber Klagen nützt ja nichts, dann lieber mit 58 noch einmal Klavierschülerin werden. Auf dem Klavier bin ich die fröhlichste Dilettantin, die man sich denken kann. Mag sein, dass unsere Nachbarn schon mal denken: „Musik wird oft nicht schön gefunden,?weil sie (stets) mit Geräusch verbunden.“ (Wilhelm Busch)
Man vergisst über die Musik eine Menge von Lastern als da sind: Stolz, Neid, Völlerei. Das liegt schon allein daran, dass man sich geradezu höllisch am Klavier konzentrieren muss, damit sich die Finger nicht verknoten.
„Musik ist ein reines Geschenk und eine Gabe Gottes.“ Sie macht die graue Seele bunt - und ist ein wunderbares Medikament. Man bekommt es ohne Arzt oder Apotheker und ohne schädliche Nebenwirkungen in jeder Kirche, gerade jetzt in der Adventszeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18830
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