SWR3 Gedanken

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Helga Luther ist 83 Jahre alt. Sie ist eine der Frauen, die das Konzentrationslager Ravensbrück überlebt haben. Anfang des Jahres wurde sie von Horst Köhler für ihr vorbildliches Engagement geehrt.
Helga Luther erinnert sich an ihre Ankunft im KZ: „Es roch nach Feuer und verbranntem Fleisch, Hunde bellten und es lag Angst in der Luft.“ Die Aufseherinnen nannten die Gefangenen „Dreckstücke“ und schikanierten sie. Sie mussten Kot rühren und stundenlang in der Kälte stehen.
Nach dem KZ kam es aber noch schlimmer: 1981 wurde einer ihrer beiden Söhne von Rechtsradikalen auf offener Straße erschossen. Doch Helga Luther muss ein sehr großes Herz haben. Für mich ist es zwar unvorstellbar, aber sie hat es offenbar geschafft, den KZ-Aufseherinnen und selbst den Mördern ihres Sohnes zu verzeihen. Heute engagiert sie sich sogar für kriminell auffällige Jugendliche aus der rechten Szene. Sie geht in Schulen und Jugendtreffs und erzählt vom eigenen Elend mit den Nazis. Über die rechten Jugendlichen sagt sie: „Diese Menschen sollen erfahren, dass auch sie liebenswert sind.“
Vor einiger Zeit hat ein Fernsehsender ein Wiedersehen arrangiert mit einer der ehemaligen KZ-Aufseherinnen. In einem Berliner Café trifft Helga Luther auf eine blasse und magere Frau. Sie erkennen sich sofort. Bei einem gemeinsamen Besuch in Ravensbrück leben die schlimmen Erinnerungen wieder auf. Plötzlich fragt die ehemalige Aufseherin: „Wird Gott mir jemals verzeihen?“
Wir Christen glauben, dass Gott immer auf der Seite der Opfer steht. Den Tätern kann er aber trotzdem vergeben. Im Alten Testament steht: „Herr, du bist gütig und bereit zu verzeihen. Für alle, die zu dir rufen, reich an Gnade.“ Und manchmal können wir etwas von dieser unvorstellbaren Gnade sogar spüren. Dann nämlich, wenn wir Menschen wie Helga Luther begegnen.
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