SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Oft höre ich in letzter Zeit:
„Das kann sich „der Westen“ nicht gefallen lassen!“
„Da unten – Herr Pfarrer, da muss man mal aufräumen.“
Gemeint sind Syrien, Irak, Afghanistan.
Manche denken dabei auch an ein militärisches Eingreifen.
Auch in innereuropäischen Konflikten – wie in der Ukraine.
Und: „Der Westen“ soll die Freiheit verteidigen - gegen die, die gegen „den Westen“ Krieg führen. Wie z.B. die Verbrecher und Terroristen der ISIS.
Aber wo ist „der Westen“?
Von New York aus liegt Europa im Osten.
Von Kalifornien aus liegt China im Westen.
Die Mongolei könnte dann von sich sagen, sie läge in der Mitte, Russland im Westen, Amerika im Osten. Warum verwirre ich mich und Sie mit meinen Blicken in den Schulatlas?
Ich denke: Es hilft nicht, die aktuellen, gewaltsamen Konflikte mit Himmelsrichtungen zu kennzeichnen. „Der Westen“ gegen „den Osten“ – oder gar: „der Westen“ gegen den Rest der Welt.
Es geht  in diesen Konflikten für mein Empfinden um etwas Anderes.
1948 – heute vor 66 Jahren – haben sich alle Staaten der Erde auf die UN-Menschenrechtscharta geeinigt: Ihr erster Satz lautet:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“
D.h.: Gleichberechtigung, Religionsfreiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit - für alle - überall. Mit diesen Rechten sollen alle leben können.
Und sie gilt es, wenn nötig zu verteidigen. Mitunter auch militärisch.
Nicht Osten und Westen, nicht Norden und Süden widerstreiten also.
Sondern: Freiheit oder Unterdrückung, Recht oder Willkür,
Achtung oder Herabsetzung der Anderen. 
Gerade jetzt ist mir Jesu Vision vom Reich Gottes eine große Ermutigung.
Da sitzen Menschen gemeinsam an einem Tisch – und es heißt ausdrücklich:
von Osten und von Westen, von Norden und von Süden. (Lukas13,29)
Versöhnt und frei. Da küssen sich Frieden und Gerechtigkeit – heißt es im Psalm. (85,11). Da werden – nach dem Propheten Jesaja – Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet. Diese Visionen der Bibel - von einer versöhnten Gemeinschaft der Völker – sind für mich ein Stück „Frieden auf Erden“.
Wenn ich mich für Menschenrechte einsetze – in Syrien oder in der Ostukraine – ich unterstütze Amnesty International – dann verteidige ich damit nicht „den Westen“, sondern die Hoffnung auf ein Leben in Frieden und Freiheit – hier wie dort.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18827
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