Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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SIE hat eine Blume in der Hand und ER trägt das Kind. Ein zumindest ungewöhnliches Paar. Die beiden Figuren stehen in unserer Liebfrauenkirche in Koblenz. Lebensgroß, aus Holz geschnitzt, gut sichtbar im Hauptschiff der Kirche. SIE ist natürlich Maria, die Mutter Jesu, die Mutter Gottes. ER ist Josef, ihr Mann. Und das Kind auf seinem Arm ist der kleine Jesusknabe. Eine schöne Arbeitsteilung. Die Frau ist nur mit dem Betrachten ihrer Blume, einer Lilie, beschäftigt und der Mann kümmert sich um das Kind. Ob es vor 2000 Jahren in der Heiligen Familie wirklich so zugegangen ist, das weiß ich nicht. Dem üblichen Rollenbild der damaligen Zeit würde es auf alle Fälle nicht entsprechen. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass es genauso passiert ist. Josef nämlich war sicherlich ein liebevoller Vater. Einer, der sich um seinen Sohn gekümmert hat. Denn ohne gute Erfahrungen als Kind mit seinem irdischen Vater Josef hätte Jesus als Erwachsener nie so liebevoll über seinen Vater im Himmel, seinen göttlichen Vater, sprechen können. Und  Maria war sicherlich eine Frau, die nicht nur in ihrem Mutterdasein aufgegangen ist. Sie hat uns - auch unabhängig von ihrem Sohn Jesus -  was zu sagen. Eines der berühmtesten Gebete der Bibel, das Magnificat, wo es um die Befreiung des unterdrückten Volkes geht, stammt von ihr. Zumindest legt der Evangelist Lukas es ihr in den Mund: „ER stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“ (Lk 1,52f). Solche Sätze über GOTT sprechen nicht für ein Heimchen am Herd, sondern können eigentlich nur von einer eigenständigen, starken Frau gesprochen werden.

Heute ist einer der vielen Marienfeiertage in der katholischen Kirche. Mariä Empfängnis oder moderner ausgedrückt: Mariä Erwählung. Mit dem Fest soll gesagt werden: Gott hatte Maria von ihrer Geburt an im Blick, er hat sie auserwählt. Und deshalb ist sie es wert, auch mal ganz alleine nur mit einer Lilie – also ohne ihren Sohn Jesus dargestellt zu werden. Um den kümmert sich ja gerade der heilige Josef.

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