Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.“ Ich frage mich, wie werden wohl syrische Christen diesen Satz hören? Wenn er heute, am zweiten Adventssonntag, in vielen Gottesdiensten vorgelesen wird. Erst recht, wenn es da weiter heißt: „Redet Jerusalem zu Herzen und ruft ihm zu: Zu Ende ist seine Knechtschaft.“ Die Sätze stammen aus dem Alten Testament, vom Propheten Jesaia. Das Volk Israel ist seit mehreren Jahrzehnten gefangen in Babylonien. Aber der Machthaber in Babylonien wechselt und es kündigt sich eine neue Politik an. Und im Volk entsteht die Hoffnung, bald wieder nach Hause – nach Jerusalem – ziehen zu können. Der Prophet Jesaia will in dieser Situation mit seinen Worten Mut machen und Hoffnung verbreiten, zum Durchhalten auffordern.

Viele syrische Christen, genau wie die Jesiden und auch die Muslime, die den Koran nicht so auslegen wie die Terrormilizen der IS, sind zur Zeit Gefangene in ihrem eigenen Land. In Anbetracht der Brutalität und der militärischen Stärke der Islamisten fällt es schwer, Durchhalteparolen zu formulieren. Und ich kann verstehen, wenn Millionen von Menschen fliehen, um sich selbst und auch ihren Glauben zu retten. Leider kündigt sich keine neue Politik an, keine Hoffnung auf baldigen Frieden und Rückkehr in die Heimat. „Tröstet, tröstet mein Volk, denn ein Ende der Knechtschaft ist nicht absehbar“, muss es leider heißen. Und damit kommen wir ins Spiel. Einige Opfer der Terrormilizen schaffen es in ihrer Flucht bis zu uns nach Deutschland. „Tröstet, tröstet mein Volk“ ist damit eine Aufforderung an uns. Denn der biblische Text wird auch uns heute vorgelegt. Wobei Trösten nicht bedeutet, Lösungsmöglichkeiten zu haben. Trösten geschieht einfach durch: Dasein, zuhören, die Not des andern ernst nehmen und konkrete Hilfe anbieten. Jenseits aller rechtlichen und bürokratischen Hürden, die das Asylrecht aufbaut, geschieht dies auch in unserm Land. Gerade auch durch christliche Gruppen. Gott sei dank.

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