SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Der Mann schreit förmlich in die Kamera. „Die sollen wieder zurückgehen, damit es uns besser geht.“ Ich sehe das in den Nachrichten und erschrecke. Es geht um Flüchtlinge, Flüchtlinge, die zu uns kommen. Flüchtlinge, die hier ein Stück Sicherheit wollen, die aus Bürgerkrieg, Not und Elend fliehen. Sicher. Es gibt immer Menschen, die solche Situationen ausnutzen. Aber von denen möchte ich heute nicht reden. Ich rede heute von den Menschen, die ihr Leben riskieren, damit sie hier bei uns sicher sind.

Der Satz „Die sollen wieder zurückgehen, damit es uns besser geht.“ ist da ein zynischer und menschenverachtender Satz. Es gibt bei uns Armut. Nicht alles kann für jeden bezahlt werden. Aber existentielle Not, Angst um Leib und Leben, nur das besitzen, was man am Körper trägt, diese Situation muss niemand bei uns haben.

Aber es gibt mehr als die dumpfen Parolen. Viele Gemeinden engagieren sich für Flüchtlinge, auch viele Christen sind darunter. Nicht von ungefähr. Die Bibel, dieser Basistext des christlichen Glaubens ist ein Buch von Migranten und Flüchtlingen. Da sind Abraham und Sarah, die sogenannten Stammeltern der Juden, der Christen und der Muslime. Sie verlassen ihr Land, brechen auf, suchen ein neues Land, in dem sie bleiben können. Da sind die versklavten Israeliten. Sie bauen für den ägyptischen Pharao. Und dann fliehen sie aus dieser Sklaverei. Mehr noch: Gott begleitet sie, unterstützt sie, hilft ihnen bei der Flucht. Und da sind auch Maria und Josef. Die Weihnachtsgeschichte erzählt, dass sie verfolgt werden. Ihr Leben ist nicht mehr sicher. Sie müssen nach Ägypten fliehen.

Vielleicht hat deshalb die Bibel ein Herz für Fremde und Flüchtlinge. Für die Bibel ist klar: Menschen auf der Flucht stehen unter dem besonderen Schutz Gottes. »Der Fremde« ist ein Wort, das die Bibel immer mit »der Gast« übersetzt. Wer fremd ist, der darf Gastrecht genießen.

Was mich bewegt: Die biblischen Texte erzählen, dass von den Fremden, von den Flüchtlingen Gutes ausgeht. Auch wenn das eigene Leben als Flüchtling schwer fällt. Aber wer auf der Flucht ist, macht sich auf, nimmt sein Schicksal in die Hand, sorgt für Bewegung. Und oft genug für frischer Wind, dort, wo er ankommt.

Es ist also gut biblisch, Flüchtlingen beizustehen. Und es kann ein großer Gewinn für alle sein. Wenn Menschen das Gute entdecken, das fremde Menschen in ihr Leben bringen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18802
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