SWR2 Wort zum Tag

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06DEZ2014
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Der Heilige Nikolaus ist ein idealer Werbeträger, weil er ein positives Image hat. Darum taucht er auch so oft in der Werbung auf. Er ist schon lange im Geschäft und immer noch gefragt. Zugegeben, er ist ein saisonales Phänomen. Aber die Nikolaussaison beginnt Jahr um Jahr früher. Schon ab September steht er als Schokoladenmann in den Regalen. Zur Advents- und Weihnachtszeit hilft er dann noch ganz andere Dinge besser zu verkaufen: Parfüm, elektronische Geräte oder auch Flugreisen.

Vor seiner kommerziellen Karriere war der Heilige Nikolaus strenggenommen auch schon ein Werbeträger – allerdings nicht für irgendwelche Produkte, sondern für bestimmte Werte und Ideale. Dabei war er durchaus wandlungsfähig. Im Mittelalter und vor allem ab der Zeit der Aufklärung machte er Werbung fürs Artig-Sein. Die Zielgruppe waren dabei vornehmlich Kinder. Er belohnte die Braven und bestrafte die Unartigen. Dabei bediente er sich teilweise aggressiver Methoden, die der Werberat heutzutage vermutlich nicht mehr gutheißen würde.

Ganz am Anfang seiner Karriere hat er aber für etwas anderes gestanden. Verschiedene Legenden erzählen, wie er engagiert gehandelt hat. Er hat erkannt, wenn Menschen in Not waren, und hat ihnen ohne Zögern geholfen. Er hat sich gegen Unrecht gewehrt und für Gerechtigkeit eingesetzt. Noch bevor er Bischof in Myra wurde, hat er nachts heimlich Geld in das offene Fenster einer armen Familie gelegt. Seine Gabe hat es den Töchtern der Familie ermöglicht zu heiraten und sie davor bewahrt, als Prostituierte arbeiten zu müssen. Später als Bischof hat Nikolaus drei Männer vor der Hinrichtung gerettet, die zu Unrecht verurteilt worden waren. Kurz bevor sie exekutiert werden sollten, hat er dem Henker das Schwert entrissen und gerufen: „Ich bin bereit, anstelle jener zu sterben.“ Durch diesen mutigen Einsatz konnte die Unschuld der Verurteilten festgestellt werden, so dass sie freigekommen sind.

Was vom Heiligen Nikolaus überliefert ist, fordert mich auf: Handle menschlich und setze dich für Gerechtigkeit ein. Zugleich gibt es mir auch die Hoffnung: In scheinbar ausweglosen Situationen kommt Hilfe manchmal auf ganz wundersame Weise daher.

Als kritischer Konsument weiß ich: Werbung will mir etwas verkaufen, was ich wahrscheinlich gar nicht brauche. Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit und Hoffnung aber brauche ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18800
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