SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Heute ist Barbara-Tag. Da gibt es bei den Christen einen alten Brauch: Man schneidet einen Obstzweig ab und stellt ihn in einer Vase ins Warme. Und an Weihnachten blüht er. So ist es zumindest in der Theorie. Und manchmal klappt es auch. Der alte Brauch zeigt, dass aus dem Tod neues Leben entsteht. Nicht alles, was abgestorben daher kommt, ist schon am Ende. Es gibt wenige Menschen, an denen man das so schön zeigen kann, wie am Leben der Barbara.

Was von ihr überliefert ist, liest sich wie eine Gruselgeschichte. Bis in die Einzelheiten hinein wird in den Legenden über ihr Leben von Misshandlungen und Folterungen erzählt – so grausam, dass ich es hier nicht wiedergeben will. Besonders an der Sache ist, dass für das alles ihr Vater die Verantwortung trägt. Er ist es, der seine Tochter in einen Turm einsperrt und dort quälen und am Ende töten lässt. Wer das als Vater übers Herz bringt, muss ein Fanatiker und blind vor Wut sein. Ja, das passt auf diesen Mann. Er ist so sehr in der eigenen Welt gefangen, dass er sich für seine Tochter keine andere vorstellen kann. Schon gar keine, die ganz andere Schwerpunkte setzt, wenn es um das geht, was das Leben ausmacht. Aber Barbara hat ihren Kopf und ihr eigenes Gespür. Sie entdeckt, während sie erwachsen wird, neue Seiten der Welt. Eben auch die, die nichts mit den Werten ihres Vaters zu tun haben. Sie wird sich immer mehr klar darüber, dass Geld und Macht für sie nicht alles sind, und dass ihre unübersehbare Schönheit sie nicht frei und glücklich macht. 

Sie lernt eine Gruppe junger Christen kennen und trifft sich mit ihnen heimlich. Zum einen, weil die Christen im 3. Jahrhundert immer noch verfolgt werden, aber auch weil sie weiß, dass ihrem Vater das nicht passt. Bei diesen Treffen taucht sie ein in die Gedankenwelt von Jesus. Sie hört, was ihm wichtig ist, für was ihre gleichaltrigen Freunde brennen. Und im Lauf der Zeit versteht sie, dass sie genau das gesucht hat: Arm zu sein, aber ein freies Herz zu haben. Sich zu versöhnen statt bis aufs Messer zu streiten. Eher zu geben als zu nehmen.

Am Ende tötet der Vater seine Tochter. Für mich ist es unvorstellbar, dass ein Vater so etwas tut. Alles in mir wehrt sich gegen diese grausame Vorstellung. Obwohl ich weiß, dass das kein Einzelfall ist; dass manche Eltern böse und egoistisch mit ihren Kindern umgehen. Barbara ist bis heute nicht vergessen. Sie hatte Mut, war radikal und konsequent und hat sich nicht unterkriegen lassen. Und daran habe ich gedacht, als ich mir heute einen Zweig in die Vase gestellt habe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18782
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