SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

So lange ich denken kann, ist der Advent eine besondere Zeit im Lauf des Jahres gewesen. Allerdings auch eine, in der mehr oder weniger immer alles gleich abgelaufen ist. Ich verbinde damit Eindrücke, die schön und wohltuend sind: Lieder, die ich schon als Kind auswendig singen konnte. Kerzen, die warmes Licht ins Haus bringen, wo es jetzt so früh dunkel draußen wird. Kalenderblätter mit klugen Gedanken drauf, und der Duft von Gebäck. 

Als es dieses Mal Advent geworden ist, habe ich bemerkt, dass mir irgendetwas daran nicht gefällt. Am Anfang war das nur so ein Gefühl. Ich konnte nicht sagen, was genau es ist, was mir fehlt. Aber das Gefühl, unzufrieden zu sein, wenn es in diesem Jahr wieder so geht wie immer, dieses Gefühl war ziemlich stark.

Jetzt, im nach hinein, kann ich sagen: Es war gut, dass ich dieses Gefühl ernst genommen habe. Denn nach ein paar Tagen hatte ich verstanden, woher mein Unbehagen kam. Es passt einfach nicht zum Advent, dass immer alles gleich abläuft - wohl durchdacht und von langer Hand geplant. Das Wort Advent stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt: Ankunft. Eine Ankunft ist aber etwas, das mit unvorhergesehenen Dingen zu tun hat. Da läuft nicht alles nach Plan. Und manchmal werden Erwartungen herb enttäuscht.

Um das zu verstehen, hilft mir ein Bild, ein Vergleich. Ich denke an einen Menschen, der einige Zeit verreist war. Jetzt kommt er heim. Und ich hole ihn am Bahnhof ab. Ich stelle mir vor, wie er aussieht. Aber ich weiß es eben nicht. Vielleicht sieht er schmal aus, blass um die Nasenspitze, oder er strahlt vor Freude. Was wird er wohl zu berichten haben an neuen Erfahrungen? Unter Umständen ist etwas passiert, was alle meine Erwartungen über den Haufen wirft. Diese Vorstellung macht mich unruhig, gleichzeitig hoffe ich das Beste und spüre eine Portion Angst. 

Genau so stelle ich mir den Advent in diesem Jahr auch vor. Lieder und Kerzen und besinnliche Gedanken – das darf es alles geben. Nichts dagegen. Wenn an Weihnachten aber Gott sich unserer Welt zur Verfügung stellt – und das glaube ich als Christ – dann genügt das nicht. Dann muss ich davon ausgehen, dass er das an unerwarteter Stelle tut. Gott mischt sich dann ein, wenn einem Menschen Gewalt angetan wird, wenn einer zu Unrecht schlechter behandelt wird als ein anderer. Wenn Gott kommt, dann ist das anders, als ich mir das gedacht habe. Und dazu will ich bereit sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18781
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