SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich habe sie geliebt, die Mirabelle. Wenn ich als Kind genervt war, bin ich hochgestiegen. Über knorrige Äste, nie ohne Schramme am Knie, oft mit Tränen in den Augen. Aber dann: oben sitzen, unentdeckt von den nervigen Brüdern, umsummt von Bienen, orangegelbe Mirabellen im Mund. Und die Blätter streicheln alle Wut weg. Bäume können tröstlich sein. Sie stehen friedlich da, atmen Leben pur.
„Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume“, dichtet Erich Fried. Und ohne ihren Frieden? Im November, 25 Jahre nach dem Mauerfall, wurden wieder Friedensbäume gepflanzt, „Einheitsbäume“. Wie in Ifta, ein Dorf bei Eisenach, durch das einst der Grenzzaun lief. Gleich nach der Öffnung begannen Engagierte hier zu pflanzen. Eschen entlang dem ehemaligen Todesstreifen, Linden an der B 7. Zwei Alleen kreuzen sich, ein BAUMKreuz wächst, schon über 20 km lang.
In 25 Jahren ist zudem eine „BAUMKREUZ-Gemeinde“ gewachsen. Christen, Bürgerrechtler, Künstlerinnen aus Ost und West kommen jeden November zusammen. Sie setzen Bäume, halten Gottesdienst, taufen Kinder. Wer einst mit dem Schnuller dabei war, hält heute den Spaten. In Ifta ist zu sehen, was das heißt: Hoffnung pflanzen - und Frieden. Ach ja: Ich pflanze dieses Jahr eine Mirabelle in meinen Garten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18741
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