SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Das Bild rührt mich immer wieder. Es ist mein Novemberfoto. Unser Sohn Till, erst ein paar Tage alt, drei flaumige Härchen auf dem Kopf, verknautscht, verträumt – wird festgehalten von faltigen Armen, in den Venen Kanülen. Das Gesicht darüber alt, gelbsüchtig, krank. Doch es strahlt. „Bevor ich sterbe, möchte ich noch meinen ersten Urenkel sehen“. Sie durfte es erleben, meine Großmutter Carla.
„Einer kommt und einer geht“, hat sie oft gesagt. Und tatsächlich: Till kam vor 18 Jahren, sie ging im gleichen Jahr. Mit einem Lächeln. Mein Novemberfoto ist eine Lebenserinnerung, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wie schnell ist der Kleine groß geworden... „Wie die Zeit vergeht“, sage ich so dahin bei alten Fotos, in diesen Tagen spüre ich es aber richtig.
Der November geht, das Jahr gleich mit, dabei wäre noch sooo viel zu tun. Ich plane das Kirchenprogramm für die Landesgartenschau Landau. Nur noch rund 150 Tage bis dahin, oh je, besser nicht dran denken. Lieber einen schlauen Satz lesen:
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden, erinnert der Psalm 90. Ja, ans Sterben denken, heißt leben. Bewusster die Tage füllen. Mich fragen: Was ist zu tun, was ist wichtig, heute, jetzt? Ich möchte gerade möglichst viel Zeit verbringen mit meinem Mann. Seit er schwer krank ist, ist nichts mehr leicht, aber jede Minute schön, in der wir unbeschwert lachen. Auch mit unserem Sohn – der nun bereits studiert. Seine Urgroßmutter Carla würde es freuen. Ich sehe sie lächeln auf meinem Novemberfoto.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18737
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