SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Kündet allen in der Not: Fasset Mut und habt Vertrauen. Bald wird kommen unser Gott; herrlich werdet ihr in schauen. Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil“. So beginnt eines dieser verrückten Adventslieder, die in dieser Jahreszeit in den Gottesdiensten gesungen werden. Verrückt sage ich deshalb, weil sich darin die gesamte biblische Widerstandskraft sammelt. - und das Mitgefühl, die Sensibilität für das Leiden in der Welt. Wer dieses Lied singt, findet sich nicht ab mit den bestehenden Verhältnissen. Er schaut nicht weg, wenn schlechte Nachrichten ins Haus kommen oder der Alltag überhaupt mühsam ist, ganz im Gegenteil. Dieses auch melodisch sehr schöne Kirchenlied nimmt biblische Bilder vom Exil auf. Damals war der Staat Israel zusammengebrochen, das Königtum am Ende, der Tempel zerstört, alles hoffnungslos. Im babylonischen Exil aber stirbt die Hoffnung eben nicht. Im Widerspruch zum faktischen Elend bleibt die Zuversicht lebendig, dass es bald anders wird. Da ist ein Vertrauen über den Tellerrand des Alltäglichen hinaus im Spiel, nicht billiger Optimismus, sondern kräftige Hoffnung und motivierende Widerstandskraft. Da steht den Leuten das Beste noch bevor, Gott selbst ist im Kommen, und das heißt: Frieden und Glück und gerechte Verhältnisse für alle und jeden. „Aus Gestein und Wüstensand / werden frische Wasser fließen; / Quellen tränken dürres Land, / überreich die Saaten sprießen.“ Ein Umsturz wird erwartet, eine radikale Besserung der Verhältnisse. Eine Art Frühling mitten im Winter des Alltäglichen. „Blinde schaun zum Licht empor, / Stumme werden Hymnen singen, / Tauben öffnet sich das Ohr, / wie ein Hirsch die Lahmen springen.“ Alles Bilder im Widerspruch zum Bestehenden, alles Bilder, die man als bloße Phantasterei und billiges Wunschdenken abtun kann. Alles Bilder, die aber den Blick weiten und das Herz öffnen. Da wird eben nicht resignativ gesagt: Nichts zu machen oder Alles aus. Nein, da fängt alles erst an. Das Beste haben wir noch vor uns. Mit Jesus hat ja etwas Neues begonnen, und es gibt genug Menschen, die diese hoffnungsstarke Widerstandskraft auch realisiert haben. Ich denke z.B. an Ruth Pfau, die christliche Ärztin, die seit Jahrzehnten in Pakistan gegen die Lepra arbeitet. Ich denke an schwerkranke Mitmenschen, die doch Tag für Tag neu eine Zuversicht und Geduld aufbringen, die mich beschämt. Christen sind Menschen, die jeden Tag neu anfangen, die jeden Tag als Neuanfang sehen. Denn alles steht im Licht des kommenden Gottes. Was könnte uns Besseres bevorstehen?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18728
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