SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Drei Mal ist mir das in letzter Zeit passiert. Ich führe ein Gespräch mit einer jungen Frau und sie erzählt mir, dass sie nicht Männer mag, sondern Frauen. Im ersten Moment bin ich baff. Nicht, weil ich mit dem Thema nicht umgehen kann, sondern weil mich das Vertrauen berührt, das die Person mir entgegen bringt, wenn sie mir so etwas Persönliches erzählt.

Bei der ersten ist es so, dass es sie von heute auf morgen erwischt hat. Sie ist im mittleren Alter und hat sich plötzlich in eine Frau verliebt. Und sie steht auch dazu. Das ist vermutlich nicht einfach für die, die sie schon länger kennen. Ihre Familie und Freunde. Deshalb ist es auch für sie nicht einfach. Sie muss abwägen zwischen der Möglichkeit, dass sie dem folgt, was die anderen von ihr erwarten oder eben dem, was ihre Gefühle sagen.

Bei der zweiten Frau ist das Ganze eine Spur schwerer. Sie ist ebenfalls im mittleren Alter, weiß schon länger, dass sie Frauen mehr mag als Männer, aber sie hat mir erzählt, dass sie es noch nicht einmal ihren Eltern oder ihren Geschwistern sagen konnte. Im Augenblick ist sie ohne eine Beziehung und fühlt sich einsam. Was die Einsamkeit aber noch schlimmer macht, ist, dass sie sich nicht einmal ihrer Familie so zeigen kann, wie sie wirklich ist.

Die dritte ist noch jung. Sie ist sehr religiös und ihre Liebe zu Frauen macht ihr deshalb zu schaffen. Sie hat mir erzählt, dass sie keinen Gottesdienst besuchen kann, ohne dass ihr die Tränen kommen. Vor allem, wenn der Moment kommt, wo sie bei der Messe zum Altar geht und dann das Gefühl hat, dass sie sich vor Gott so nicht zeigen kann. Vielleicht, weil sie sich vor Gott schämt. Sie geht dann auch wirklich raus aus dem Gottesdienst.

Diese drei Begegnungen haben mich nachdenklich gemacht. Bei allen drei Frauen gibt es einen Punkt, an dem es darum geht, ob sie so sein dürfen, wie sie sind, wie sie fühlen und lieben. Oder ob sie sich dafür schämen müssen.

Wissenschaftlich ist klar, dass sich daran nichts drehen lässt, ob ein Mensch homosexuell ist. Es macht mich traurig, wenn ich sehe, dass sich Menschen dafür schämen müssen wie sie sind. Vor anderen und erst recht vor Gott. Ich mag nicht an einen Gott glauben, vor dem ich mich schämen muss dafür wie ich bin. Schließlich hat er mich ja so geschaffen. Er ist daran beteiligt, dass ich so bin wie ich bin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18663
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