SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich bin intolerant. Ja, Sie haben recht gehört. Es gibt Situationen, die ich unerträglich finde. Wenn ich im Zug fünf Stunden lang mit Musik beschallt werde, die ich nicht hören will. Wenn mein Nachbar am Sonntagmorgen um acht Uhr den Rasen mäht. Wenn mir ein Hund seine Pfoten auf die Schultern legt, der ja nur spielen will. Dann reißt mir der Geduldsfaden. Darf er das?
Ich denke schon. Offen gestanden denke ich sogar, dass einem manchmal der Geduldsfaden reißen muss. Soll ich tolerieren, wenn Menschen in schwarzen Stiefeln Naziparolen vor dem Flüchtlingsheim plärren? Muss ich mich raushalten, wenn ich ein Kind mit viel zu vielen blauen Flecken sehe? Sehe ich in die andere Richtung, wenn vor dem Bahnhof ein Obdachloser bedrängt wird? Sehen Sie? Sie sind auch intolerant.
Und das ist auch gut so. Weil Toleranz nicht heißt, alles ertragen zu müssen. Sie hat nichts mit Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit zu tun. Denn um es mit einem beliebten Spruch zu sagen: Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.
Bei mir hört die Toleranz auf, wenn jemand die Würde eines Menschen nicht achtet, wenn Rücksichtslosigkeit um sich greift, wenn Freiheit beschnitten wird. Dann ist das echte Intoleranz. Und diese großen Worte müssen sich im Alltag bewähren. Im Miteinander von Menschen, von Völkern, von Religionen.
Manchmal liegt es so klar auf der Hand, wo Toleranz angesagt ist und wo Grenzen erreicht sind. Und manchmal muss ich um meinen Standpunkt ringen, mich mit anderen Standpunkten auseinandersetzen. Und da bin ich froh, dass es eine Richtschnur gibt. Und die steht in der Bibel.
Da heißt es: All eure Dinge lasst in der Liebe geschehen. Liebe ist nicht beliebig, sie ergreift Partei. Und sie tut es in Achtung und Respekt vor dem anderen. Liebe ist nicht rücksichtslos, sie akzeptiert Grenzen. Eben aus Achtung und Respekt vor dem anderen. In Liebe könnte es etwas werden mit der Toleranz. Zwischen Menschen, Völkern und Religionen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18648
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