Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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An vielen Schulen ist es schon Tradition, eine Abschlussfahrt oder Studienreise nach Berlin zu organisieren. Fragt man die jungen Leute nach ihrer Rückkehr, was sie persönlich am meisten berührt hat, dann fällt immer wieder der Name „Hohenschönhausen“.
Hohenschönhausen war das zentrale Untersuchungsgefängnis der Stasi. Hier saßen in DDR-Zeiten Tausende von politischen Gefangenen ein. Heute ist der Komplex eine Gedenkstätte. Und das Besondere: Es sind ehemalige Häftlinge, die den Besuchern bei Führungen die Schrecken dieses Ortes vermitteln.
Sie haben konkret erlebt, was es heißt, als „Staatsfeind“ zu gelten. Sie erzählen von den Schikanen und Quälereien, mit denen die Aufseher versuchten, sie fertigzumachen. Wie ist das, wenn man total isoliert in einer winzigen Zelle sitzt, wenn man nachts willkürlich durch Licht und Krach aus dem Schlaf gerissen wird? Wie schafft man es, in einer solchen Hölle zu überleben?
Aus erster Hand erfahren die Jungen und Mädchen von den brutalen Haft- und Verhörmethoden der Stasi. Kein Film, kein Buch, kein Denkmal kann die persönlichen Erlebnisse der Zeitzeugen ersetzen.
Das Konzept von Hohenschönhausen überzeugt. Jährlich kommen rund 350.000 Besucher. Gerade Jugendliche, die die DDR nur aus den Geschichtsbüchern kennen, fragen nach: Wie war das damals? Die ehemaligen Häftlinge berichten, warum sie zu „Staatsfeinden“ wurden: Weil sie die falsche Musik hörten. Weil sie die falschen Klamotten trugen. Weil sie nicht zur Jugendweihe gingen, sondern zu Firmung und Konfirmation. Weil sie eigene Ideen und Vorstellungen hatten.
Wer mit den Opfern der DDR-Diktatur gesprochen hat, der weiß um den Unrechtscharakter des SED-Staates.
Viele Schüler berichten, dass sie weinen mussten, als sie so direkt mit dem Leid der Betroffenen konfrontiert wurden.
„Tränen sind das Grundwasser der Seele.“ So hat es der Kirchenvater Augustinus einmal gesagt. Das ist es, was das alte Wort „Mitleid“ im Kern meint: Ich bin nicht nur „betroffen“, ich „leide mit“. Ohne Empathie, ohne Mitgefühl gibt es keine wirkliche Solidarität mit den Opfern von Unrecht und Gewalt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18631
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