SWR3 Gedanken

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Was hat der Glaube eigentlich mit Vernunft zu tun? Nicht besonders viel, könnte man meinen. Angesichts all jener zumindest, die sich wie Verbrecher aufführen und das auch noch mit ihrem Glauben rechtfertigen. Schließlich, so sagen sie, steht das so in den heiligen Schriften und die sind für Gläubige nun mal das Maß der Dinge. In der Tat. Wer bloß die jüdische oder christliche Bibel aufschlägt findet dort alles: Unterdrückung, Ausbeutung, Folter und Mord. So ziemlich alles, was zivilisierte Menschen zu Recht anwidert. Doch weil es da steht heißt das noch lange nicht, dass ich es auch so machen soll. Wer die heiligen Schriften als wortwörtliche Handlungsanweisungen missbraucht, hat in Wahrheit nur wenig von ihnen verstanden. Schließlich stehen dort Geschichten, die oft mehr als 2000 Jahre alt sind. Sie geben eine Ahnung davon, wie Menschen damals gedacht und geglaubt haben. Sie erzählen mir, woher mein Glaube eigentlich kommt und wie er sich über Jahrhunderte weiterentwickelt hat. Zu dem Glauben nämlich, den ich heute habe. Und zu dem gehört für mich, dass Gott mir Vernunft gegeben hat, damit ich sie nutze, so gut ich kann. Ich soll sie mitnichten am Bücherregal abgeben, um das heilige Buch dann wie einen Totschläger zu gebrauchen. Ich soll sie benutzen, um nach dem Sinn fragen. Die alten Texte zum Sprechen zu bringen in meiner Welt des 21. Jahrhunderts. Nur dann können sie mir noch etwas sagen, das auch mit meinem Leben hier und heute etwas zu tun hat. Glauben ohne Vernunft. Für mich geht das gar nicht. Übrigens hat die Bibel das auch schon so gesehen. „Nicht Diener des Buchstabens sollt ihr sein“, heißt es da, „sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“ (1 Kor 3)

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