SWR4 Abendgedanken

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„Humor, Zärtlichkeit und Aufmüpfigkeit sind die besten Mittel gegen das Altern“ – der französische Schauspieler Yves Montand (1921-1991) hat das gesagt. Mir gefällt dieser Spruch. Ich denke, er richtet sich gegen das innere Altern. Und er ist ein Plädoyer dafür, auch mit zunehmendem Alter offen, kreativ und neugierig für das Leben zu bleiben – so gut es eben geht und die Gesundheit es zulässt. So verstehe ich den Spruch: „Humor, Zärtlichkeit und Aufmüpfigkeit sind die besten Mittel gegen das Altern“.

 Aufmüpfig war und bin ich etwa dann, wenn dringende Reformen in meiner Kirche langsam aber sicher zu ersticken drohen. Wenn die offizielle Lehre zur Sexual- und Ehemoral von bestimmten Leuten nach wie vor gebetsmühlenartig vorgetragen wird. Und wenn mit aller Kraft versucht wird, die ganz andere Realität den engen Vorstellungen aus dem Mittelalter anzupassen. Oder wenn ich nicht mehr verstehen kann, dass manche kirchlichen Kreise so viel Energie verschwenden, um ihre Unterschiede zu rechtfertigen.

Ich freue mich, dass Papst Franziskus die Zeichen der Zeit auf dem Hintergrund der Botschaft Jesu erkennt. Und ich hoffe, dass die Kirchen Ernst machen mit dem Lied, das so gerne und lauthals in den Gottesdiensten gesungen wird: „Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit, dass sie deine Stimme hört, sich zu deinem Wort bekehrt“ (Gotteslob 481,2).

Damit die Aufmüpfigkeit nicht in Zorn umkippt, halte ich es für wichtig, dass ich mir Humor bewahre. Humor macht mich gelassener: Nimm dich nicht so wichtig! Lache auch über dich selbst! Mit Humor kann ich zwar nicht verdrängen, was mich umtreibt. Aber mit Humor relativiere ich das. Für mich ist der Humor auch eine Form, mit dem Leben fertig zu werden. 

Bleibt noch die Zärtlichkeit. Das heißt nicht, dass ich mehr Streicheleinheiten brauche als früher. Ich muss auch nicht jeder und jedem gleich um den Hals fallen. Aber ich möchte den Mitmenschen mit Respekt begegnen, ihnen freundlich gesinnt sein. Ich möchte über so manche Schwächen bei anderen hinwegsehen, weil ich auch die meinen kenne. Ich möchte tolerant sein in dem Sinn: die andere, der andere darf anders sein als ich es bin. Und jemand einmal den Arm um die Schulter legen, kann auch gut tun.

Ich bin nach wie vor leidenschaftlich Theologe. Doch je älter ich werde, desto mehr werden die Fragen und mit Antworten bin ich vorsichtiger. Denn die Welt ist vielschichtig und kompliziert. Und die Menschen sind sehr unterschiedlich. Ich fühle mich jedenfalls besser, wenn ich so manche Dinge des Lebens Gott anvertraue.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18588
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