SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

In Deutschland sterben jedes Jahr rund achthunderttausend Menschen -achthunderttausend Menschen. Der Tod befindet sich also nicht am Rand der Gesellschaft. Er ist mitten drin in unserem Alltag. Aufeinmal ist nichts mehr, wie es war, und jedesmal trauern Menschen. Wo finde ich einen Ort für meine Tränen? Wie einen Weg zu trauern? 

In meinem Wohnort gibt es auf dem Friedhof einen “Trauerweg”. Einen richtigen Weg. Symbolisch werden mehrere Stationen der Trauer dargestellt. Der Weg beginnt damit, dass ich durch die Tür in ein echtes Haus eintrete, in das so genannte “Lebenshaus”. So ist mein Leben, wenn alles gut läuft. Stabil auf gutem Fundament. - Doch dann tritt der Tod in mein Leben. Plötzlich ist nichts mehr wie es war. Auf dem Trauerweg erinnert ein “Scherbenhaufen” daran. – Ist alles ausweglos? Oder geht es weiter? Und wie geht es weiter?

Dann stehen vor mir auf dem Trauerweg schwarze Säulen, doch die Wegweiser daran verwirren. Immer wieder dieselben Stichwörter, doch die zeigen in gegensätzliche Richtungen: nach oben und nach unten, nach rechts und nach links, vor und zurück. Die Stichwörter: Schmerz – wohin führt er mich? Angst – wohin treibt sie mich? Panik – wie stark bedrängt sie mich? Dazu gehören auch starke Gefühle wie Wut und Klage. - Jeder geht mit seiner Klage anders um. Einer stürzt sich in noch mehr Arbeit. Ein anderer lässt seinen Gefühlen freien Lauf. Einer versucht, mit dem Verstand die Situation zu meistern. Oder man vermeidet das alles und haut ab.

Aber irgendwann muss ich mich der Trauer stellen, den Schmerz und die Leere zulassen. Versuchen, den Verlust eines lieben Menschen anzunehmen. Wenn ich das immer wieder schaffe, dann kann sich meine Trauer nach und nach verwandeln: In eine neue, andere Lebendigkeit.

Ein Trauerweg, wie der in meinem Heimatort, kann da eine gute Hilfe sein. Wer einen solchen Weg nicht in seiner Nähe hat, der kann sich in seinem Umfeld Orte der Trauer schaffen: An einem bestimmten Platz in der Wohnung, im Haus, in der Natur oder am Friedhof. Egal wo, Hauptsache, es hilft, den eigenen Trauerweg zu finden. Ich wünsche, dass niemand diesen Weg alleine gehen muss.

Als Christ vertraue ich auch in Zeiten der Trauer auf Gott, den Freund des Lebens. Ich vertraue darauf, dass er Leben schenkt über den Tod hinaus. Wie das sein wird, weiß ich nicht. Aber ich ahne etwas ganz Großartiges, etwas unvorstellbar Schönes. Wie wenn sich ein wunderbarer Sonnenaufgang ankündigt, die Sonne aber noch nicht da ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18586
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