SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es ist gut, wenn sich manche Dinge einfach nicht ändern. Wenn manches immer wieder in der gleichen Reihenfolge abläuft. Ohne dass ich mir darüber viel Gedanken machen muss. Das bringt Ruhe in meinen Alltag, strukturiert ihn. Denn meine Lebenserfahrung zeigt mir wie ich mich ständig mit Veränderungen in allen Lebensbereichen arrangieren muss, ob ich will oder nicht. Vieles läuft anders als gedacht und alles entwickelt sich. Manchmal habe ich regelrecht Angst nicht mehr mitzukommen. Dann hilft mir, wenn manches bleibt, wie immer, ganz selbstverständlich. Wenn ich mich beispielsweise mittags mit Kollegen zum Essen treffe oder meine Abende mit einer gewissen Regelmäßigkeit verlaufen: Zusammen Abendessen vorbereiten oder einen Spaziergang machen, an bestimmten Tagen Sport treiben oder eine Fernsehsendung anschauen…
Wenn etwas  wie gewohnt abläuft, fühlt man sich sicherer, ein bisschen geborgen. Das geht besonders auch kleinen Kindern so. Ihnen bringt jeder Tag ja eine Fülle von Neuigkeiten. Sie sind ganz besonders empfänglich für Abläufe, die sich wiederholen, und sie sind wichtig für sie. „Im Abendrot gibt’s Abendbrot“ – singt unser Enkel fröhlich und er weiß, danach geht’s ins Bad. Und nach einer kleinen Geschichte und einem Kreuzzeichen auf die Stirn, wird das Licht ausgemacht, damit er gut einschlafen kann.

Und ich weiß auch, dass alte Menschen sehr unsicher werden, wenn gewohnte Alltagsrituale verloren gehen.
Wir brauchen die alltäglichen Rituale – aber auch die besonderen, die feierlichen. Sie lassen uns innehalten, machen eine bestimmte Situation in unserem Leben zu etwas Besonderem, unvergesslich, eine Hochzeit, eine Taufe, ein Jubiläum.

Im Gottesdienst mit seinen vielen Ritualen geht es um die besondere Beziehung der Menschen zu Gott. Diese Rituale sind vor langer Zeit entstanden und werden wohl immer bleiben. Vielen Menschen tun sie gut.

Die Beständigkeit von Ritualen lässt meine Gedanken zur Ruhe kommen.
Und sie helfen mir, wenn ich mich ganz auf eine Sache konzentrieren will.
Rituale geben uns auch Raum für unsere Trauer. Deshalb gehören sie auch zu Gedenkfeiern außerhalb der Kirche. Ein gesellschaftliches Leben ist ohne Rituale nicht möglich.
Soziologen haben festgestellt, dass Menschen in unsicheren Zeiten besonders an Ritualen interessiert sind. Oder dann, wenn ihnen das Leben zu schnell wird. Dann lassen sich besonders junge Leute auch neue Rituale einfallen, wenn ihnen die alten nicht mehr entsprechen.

„Gib mir ein bisschen Sicherheit, in einer Zeit, in der nichts sicher scheint“ – so heißt es in einem Song der Gruppe Silbermond, mir gefällt er und es heißt dort weiter: „Gib mir in dieser schnellen Zeit irgendwas, das bleibt.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18504
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