SWR2 Wort zum Tag

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Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse – immer wieder fasziniert der Himmel. Tausende starren mit Spezialbrillen an den Himmel, wenn sich eines der seltenen Spektakel ankündigt. Doch auch ohne solche Highlights funktioniert das Himmelskino: ein Blick in den klaren Sternenhimmel in den Bergen vermag mir den Atem zu verschlagen. Er lässt mich staunen.
Das Staunen über den Mond und die Sterne, die Wunder der Schöpfung, ist uralt. Es findet sich schon in der Bibel, zum Beispiel im achten Psalm: „Ich bestaune den Himmel, den du, Gott, gemacht hast, Mond und Sterne auf ihren Bahnen“ – sagt der Psalmbeter dort sinngemäß.
Das war nicht immer so: Lange Zeit hat der dunkle Nachthimmel die Menschen geängstigt. Mit dem Dunkel der Nacht kam die Furcht vor den Unwägbarkeiten des Lebens: vor Orientierungsverlust, feindlichen Attacken, ja, auch vor Krankheit und Tod. Und in Sonnen- oder Mondfinsternissen wurden göttliche Zeichen vermutet, die auf das Weltende deuten.
Und heute? Es überwiegt das nüchterne, aufgeklärt astronomische Interesse. Die Angst hat dem Vergnügen und dem Wissen Platz gemacht. Der Himmel hat seine Rätselhaftigkeit verloren hat und ist erklärbar geworden. Und Menschen haben gelernt, in den unendlichen unbewohnten und unbewohnbaren Weiten des Universums die kleine blaue Kugel Erde als Heimat zu schätzen.
An der Fähigkeit zu staunen über den gestirnten Himmel über mir, hat das nichts geändert. Doch bleibt zwischen Wissen und Staunen auch noch Platz für Gott – so wie es der Beter des achten Psalms ausspricht? Wahrscheinlich muss dafür noch ein weiterer Gedanke hinzukommen, eine weitere Ahnung. Denn der Psalm geht weiter: „Ich bestaune den Himmel, den du gemacht hast, Mond und Sterne: Wie klein ist da der Mensch! Und doch kümmerst du dich auch um ihn.“
Der faszinierende Blick in die Erhabenheit des Kosmos allein genügt nicht, um Gott zu finden. Erst die Ahnung, es könnte mit dem Menschen, mit meinem kleinen Leben, in all diesen Dimensionen des Unendlichen noch eine besondere Bewandtnis haben, führt mich auf die Spur Gottes. Denn der Schatten des Staunens über die Weiten des Alls ist das Schaudern über ein großes kaltes Nichts. Das Wissen um Gottes gütigen Blick auf mein einzelnes und einziges Leben jedoch schafft Geborgenheit – und es vergrößert noch das Staunen.

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