Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„In der Hoffnung, dass diese überaus unerfreuliche Angelegenheit nun mal endlich ein Ende findet verbleibe ich hochachtungsvoll“…schrieb sogar der Notar. Ein ganzes Bündel Briefe in dieser Angelegenheit fand ich in einer alten Schublade. Die Briefe sind über 80 Jahre alt. Es ging um einen Erbstreit. Elend lange hattesich mein Großvater mit einem seiner Brüder um das Erbe gestritten. Der eine wollte mehr haben, der andere wollte oder konnte nicht mehr auszahlen.Die beiden haben sich über das Erbe für immer zerstritten. Ich wusste nur andeutungsweise davon. Dieser Erbstreit gehörte zu den Tabus. Darüber wurde in der Familie nicht gesprochen.

Aber diese Briefe jetzt erklären einiges. Da waren zwei sture Hitzköpfe am Werk, und keiner wollte nachgeben. Einmal hatte eine der Ehefrauen zu schlichten versucht. Sie bat den Schwager, seine Forderungen zu überdenken. Sie flehte geradezu um Einsicht. Treuherzig schrieb sie unter ihren Brief einen Satz aus der Bibel: Was nützt es dem Menschen, wenn er die Welt gewinnt, aber seine Seele verliert?Aber auch das half nichts. Halte dich da raus, antwortete der Schwager schroff. Er blieb hart. Der Bruder musste zahlen und hat sich hoch verschuldet. Die beiden haben nie wieder miteinander gesprochen.Jahrzehntelang. Beide nahmen den Unfrieden mit ins Grab.

Aber nach dem Tod der Brüder geschah ein Wunder. Die Familien der verfeindeten Brüder sind aufeinander zugegangen. Der Streit hatte ihnen ja auch zugesetzt und das Leben vergiftet. Sie wollten nicht länger durch den Streit ihrer Vätergetrennt sein. Sie waren die Söhne und Töchter der beiden, aber sie waren auch Cousins und Cousinen. Sie wollten wieder miteinander Kontakt  haben. Was ihre Väter da angerichtet hatten, war nicht mehr zu ändern. Aber es sollte nicht länger zwischen ihnen stehen. Beide Familien spürten: Es war nicht ihr Streit, und es war auch nicht ihre Sache, darüber zu richten. Sie fragten nicht mehr, wer von beiden mehr Schuld hatte. Sie hörten einfach damit auf. Und noch etwas taten sie: sie haben Ihren Vätern vergeben. Das war großartig. Ihr Seelenfrieden war ihnen wichtiger, das Familiengefühl war ihnen auch wichtiger. Denn in der Tat: Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber seine Seele verliert?

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