SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Petra ist 65 Jahre alt und geht jetzt in Rente. Und weil sie eigentlich lieber weiterarbeiten würde, fällt ihr der Abschied schwer. „Wie wird der letzte Arbeitstag sein?“ frage ich sie. „Ach, am liebsten hätte ich, dass keiner mitkriegt, dass es mein letzter Tag in der Firma ist“. Sie stellt sich vor, dass sie am Abend ihres letzten Arbeitstags in der Firma nach Hause geht wie immer und dass den Kollegen erst am nächsten Tag klar wird: Für Petra war gestern der letzte Arbeitstag!
Abschied nehmen - das ist oft mit Wehmut verbunden, mit Trauer. Fühlt sich ein wenig an wie Sterben. Gerade deshalb wäre ein Ritual hier vermutlich besonders hilfreich. Rituale helfen nicht nur beim Anfangen, Rituale helfen auch beim Aufhören.
Noah, zum Beispiel, von dem die Bibel erzählt, hat sich so ein Ritual fürs Aufhören geschaffen.
Noah und seine Familie und die Tiere, die er in der Arche, seinem großen Schiff geborgen hat – sie alle haben unter Gottes Führung eine unvorstellbare Katastrophe überlebt. Und jetzt:
„Es ist geschafft!“ Noah verlässt die Arche, und eine intensive Zeit liegt hinter ihm. Gott hatte ihm einen Auftrag gegeben. Er hat viel geleistet. Die Menschen und Tiere, die mit ihm ganz wörtlich „im selben Boot“ saßen, haben ihn gebraucht. Sein Geschick, seine Kraft. Auch sein Vertrauen, dass alles gut ausgeht. Jetzt ist seine Aufgabe erledigt. Eine wichtige Zeit in seinem Leben ist zu Ende. Ich stelle mir vor, dass Noah noch ganz weiche Knie hat, als er die Arche verlässt und nun wieder festen Boden betritt.
Und das erste was er jetzt tut: Er feiert einen Gottesdienst.
Das ist mehr als nur ein Impuls der Höflichkeit gegenüber Gott. Noah ist dankbar und erleichtert -- und auch stolz auf das, was er geleistet hat. Er freut sich, dass seine Familie gerettet ist. Hinter ihm liegen gewiss auch Zeiten, in denen er befürchtet hat, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Und dann die Entdeckung, dass er’s geschafft hat; dass er’s gepackt hat.
So viele Gefühle und Gedanken. Da hilft ein Ritual, das alles zum Ausdruck zu bringen. Ein Dankgottesdienst zum Abschluss.
In diesen Gottesdienst kann Noah alles legen, was ihn bewegt. Und sich Kraft holen für das Neue, das jetzt beginnt.
Eine Sache zu einem guten Abschluss bringen. Ich denke, wir sollten solche Abschlussgottesdienste feiern.
Ich werde Petra dazu einladen, nicht sang- und klanglos zu gehen und werde mit ihr einen Abschlussgottesdienst gestalten!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18468
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