SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Der Satz hat es in sich: „Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt,
und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk 14,11)
Der Satz stammt aus dem Evangelium. Er klingt düsterer,
als Jesus ihn gemeint hat. Es geht weniger um Moralin,
als um Gelassenheit. Lukas, der  Evangelist berichtet von diesem Satz
und erzählt eine Geschichte. Es heißt da, dass Jesus eingeladen war.
Eingeladen in das Haus eines bedeutenden Pharisäers, also zu jemand,
der schon was zu sagen hatte.
Man beobachtete ihn genau, heißt es im Text. Und das kann man sich lebhaft vorstellen. 
„Das ist doch dieser Zimmermannssohn mit seinen neuen verrückten Ideen.
Mal gespannt, was er heute wieder auf Lager hat.“ Aber nicht nur sie beobachten ihn,
sondern er auch sie. Jesus sieht ihnen zu, wie sie vor allem nur eins im Kopf haben,
nämlich möglichst einen der Ehrenplätze zu ergattern.
Er sagt ihnen ziemlich klar, was er davon hält. Nämlich nichts.
Und dabei fällt dann dieser Satz:  „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt,
und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Das ist kein Demutsspektakel,
sondern sanfter und gleichzeitig deutlicher Hinweis Jesu,
sich nicht allzusehr von dem Zirkus  um Ehrenplätze, Titel
und gesellschaftliche Konventionen beeindrucken zu lassen.
Eine heitere Distanz dazu ist seine Empfehlung. Die Welt der Tischkarten,
Sitzordnungen und akribisch festgelegten Rangordnungen
ist nicht die, die Jesus für seine Welt, für das Reich Gottes vorgesehen hat.
Ihm kommt es auf ganz andere Dinge an.
In einem Gedicht bei Wilhelm Bruners heißt es unter dem Titel „Friedensfürst“:

„Als er sich
von seinen Freunden
verabschiedete
hängte er ihnen
keine Orden an die Brust
stufte er sie keine Gehaltsgruppe höher
beförderte er sie
nicht auf den oberen Posten
verlieh er ihnen keinen Titel
als er sich von seinen Freunden
verabschiedete
gab er ihnen
seinen langen Atem.“*

 * Wilhelm Bruners, Wilhelm, Senfkorn Mensch, 1986, S.32

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