SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Gottes barmherzige Pädagogik (zu Lk 15,11-32)
 Solche Väter wünscht man sich. Da lässt sich ein Sohn sein Erbe auszahlen, brennt damit durch, stürzt sich von einer Party in die nächste, verzockt und versäuft das Geld, macht, wie man so schön sagt, überall den dicken Willi. Man trägt ihn auf Händen,  jeder will mit dem spendablen Typ bekannt sein. Bis nichts mehr da ist. Irgendwann ist Schluss mit lustig, die sogenannten guten Freunde verschwinden, die Partykarawane zieht zum nächsten. Der Spendierkönig a.D. bleibt übrig. Abgebrannt und auf der Straße. Ohne coole Sprüche, am Ende. Er versucht sich durchzuschlagen, nimmt die schlimmsten Jobs an und ist froh, irgendwas zum Beißen zu haben. Dann der Rückzug. Zähneknirschend schleicht er sich nach Hause, hofft im Betrieb des Vaters irgendeinen Job zu bekommen, einen, der nicht auffällt, einen, der ihn überleben lässt. Aber dafür muss er zurück zum Vater. 
Er malt sich die möglichen Reaktionen aus. Tobsuchtsanfall, Moralpredigten, vielleicht lässt man ihn überhaupt nicht ins Haus. 
Aber kein Wort fällt, erst recht kein hartes. Der Vater sieht den abgebrannten Filius, rennt ihm entgegen, umarmt ihn schweigend und feiert ein Fest. Kein Zeigefinger, kein "Hättest du doch auf mich gehört“, nichts. Der Vater ist froh, das schwarze Schaf wieder da zu haben. Punkt. 
So weit die Erzählung der Bibel. Sie gehört zu den Lieblingsgleichnissen Jesu. 
Sie fasziniert aber provoziert auch. Bei aller Freude über die Toleranz und den Großmut des Vaters habe ich doch immer meine Zweifel, ob alles immer so glatt gehen kann. Ich glaube, ich hätte schon ein Wörtchen mit dem Herrn Sohn gesprochen. Ich hätte mich auch gefreut,  aber er hätte schon wissen sollen, was ich in all den Jahren auszuhalten gehabt hätte.
Der Vater in der biblischen Geschichte schweigt. Vielleicht weil er aus seiner eigenen Lebensgeschichte weiß, dass manche Erfahrung schlicht gemacht werden muss. Und keine Warnung vorher hilft. Vielleicht hat er sich an die Sprüche seines Vaters erinnert, vielleicht aber hat er auch Respekt davor, dass der Sohn gegangen ist. Dass er den Mut hatte, mit Risiko zu leben  - und zu scheitern.
Ich glaube, der Vater braucht den Sohn genauso,  wie der Sohn den Vater.
Ein menschliches Vaterbild Jesu. Ein beruhigendes, wenn ich es auf Gott selbst übertrage. Jesus weiß, dass das Leben seine Wahrheit selten auf ganz geraden Zeilen schreibt. Und dass Gott mich aushält, dass er mit geht, auf meinen Wegen und auf meinen Umwegen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18400
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