SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Jemand hat einmal gesagt: „Wie wir mit Schuld und Vergebung umgehen, das zeigt, ob wir wirklich Christen sind.“ Ich erlebe immer wieder, wie dieser Satz wahr wird – ausgerechnet im Zusammenhang mit Beerdigungen und Trauerfeiern.
Am offenen Grab merken die meisten: Jeder Mensch bleibt anderen etwas schuldig. Das lässt sich gar nicht vermeiden.
Eigentlich wollte man sich ja mal wieder melden, fragen wie es geh. Aber man hat es nicht getan. Und plötzlich ist es dann zu spät. Man erfährt erst auf dem Friedhof, dass der andere schwere Zeiten durchmachen musste. Man bekommt mit, dass der eine Anruf, der eine Besuch vielleicht schon gut getan hätte.
Man ist es schuldig geblieben. Und manchen drückt diese Schuld sehr.
Ja, wir bleiben alle etwas schuldig. Aber als Christ glaube ich: Die Schuld muss mich nicht niederdrücken. Das ist ja die zentrale Wahrheit des christlichen Glaubens, dass Gott selbst in die Welt gekommen ist, um mir die Schuld abzunehmen. „Der Schuldschein, der mit seinen Forderungen gegen uns stand, den hat er ans Kreuz genagelt“, so heißt es in der Bibel*. Ja, wir bleiben alle etwas schuldig.
Aber: Man kann die Schuld dort abgeben, wo sie seit gut zwei Jahrtausenden hingehört. Man kann zu Gott sagen: „Bitte, Gott, vergib mir, was ich schuldig geblieben bin.“ Und er tut es. Dann lastet nicht mehr auf mir, was war. Und ich kann neu anfangen es anders, besser zu machen. Unbelastet.
Wir tun nicht so als wäre nichts gewesen, denn wir spüren es ja: Wir sind schuldig, sind etwas schuldig geblieben.
Und wir tun nicht so als ob es keine Vergebung geben würde. Es gibt sie. Die Schuldfrage ist geklärt. Ein für alle Mal. Es gibt Vergebung für das, was wir schuldig bleiben.
Selten steht einem das, was man schuldig geblieben ist, so deutlich vor Augen wie an einem Grab. Es wäre gut gewesen, mit dem Verstorbenen darüber zu sprechen. Jetzt ist es zu spät. Der andere kann nicht mehr sagen: „Schwamm drüber! Das war gar nicht so schlimm.“ Wie gut, das es da eine andere Adresse gibt: „Bitte Gott, vergib du, was ich schuldig geblieben bin.“

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