SWR2 Wort zum Tag

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Manchmal bereichern mich Begegnungen mit beeindruckenden Menschen – und zwar dermaßen, dass sie mir nicht mehr aus dem Kopf gehen und mich inspirieren, auch wenn ich lange danach noch an die Begegnung denke. So ging es mir bei einer Reise nach Äthiopien, wo ich bei einer Gemeinschaft von Ordensschwestern zu Gast war, die zu den „Missionarinnen der Nächstenliebe“ gehört. Diese Gemeinschaft wurde von Mutter Theresa von Kalkutta gegründet und ist bekannt durch die typische weiße Tracht mit den blauen Streifen am Rand. Ich hatte Gelegenheit mit jungen und älteren Schwestern zu sprechen und war beeindruckt von der internationalen Gemeinschaft von Afrikanerinnen, Asiatinnen, Europäerinnen und Schwestern aus Lateinamerika. Besonders  fasziniert hat mich eine junge Argentinierin, die mit ihrer Fröhlichkeit und Energie ebenso auf eine Partymeile von Buenos Aires gepasst hätte und diese Fröhlichkeit nun stattdessen einbrachte in die Arbeit mit den Ärmsten der Armen in einer abgelegenen äthiopischen Stadt. Die Leiterin der Gemeinschaft – sie war Belgierin und trug den altehrwürdigen Namen Adelheid – führte mich durch das Zentrum, in dem viele Arme und Kranke Menschen ein Bett finden, sowie medizinische und menschliche Hilfe. Schon frühmorgens vor dem Eingangstor, auf dem Boden kauernd, warteten Duzende auf den Einlass und in den verschiedenen Stationen sah ich so viel Elend, dass ich mich fragte, woher die Schwestern die Kraft nehmen, jeden Tag für diese vielen Menschen mit all Ihren Gebrechen, Krankheiten und Problemen da zu sein. Dazu kommt, dass ihr eigenes Leben in der Gemeinschaft auch bewusst einfach gehalten wird, ohne jeglichen Luxus. Aber vielleicht ist das gerade eine Quelle der Kraft dieser Frauen, denn gerade in ihrem einfachen Leben lenken sie den Blick auf die eigene Gemeinschaft, die sie bereichert und ihnen Halt gibt. Eine andere wichtige Kraftquelle ist mit Sicherheit das Gebet und der Gottesdienst, an dem ich auch mehrere Male teilnehmen durfte.

Die Kraft und die christliche Haltung der Schwestern, das fand ich das wunderbare an diesem Ort, überträgt sich in zwei Richtungen: Zum einen auf die Armen und Kranken, denen sie wahrscheinlich zum ersten Mal im Leben sichere, saubere und hygienische Lebensumstände geben und darüber hinaus eine Atmosphäre der Ruhe und der Freundlichkeit schenken. Die Kraft überträgt sich aber auch auf die Besucher dieses Zentrums, die, so wie ich, bereichert wieder gehen und spüren, welche Ausstrahlung davon ausgehen kann, wenn Menschen das Evangelium Jesu radikal ernst nehmen und in ihr Leben umsetzen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18366
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