SWR2 Wort zum Tag

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Was für ein grauenvolles Bild: Kämpfer der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ haben in Syrien acht Männer an Kreuze gehängt; ob sie durch diese „Kreuzigung“ starben, ob sie vorher schon tot waren, ob man die Toten am Kreuz noch verspotten, demütigen, schänden wollte -  das war dem Bild nicht anzusehen. Die abschreckende Botschaft dieser Kreuzigung war in jedem Fall unmissverständlich.

Ich bin erschrocken: gekreuzigte Menschen, heutige Menschen, an ganz realen Kreuzen, ein Foto in der Tageszeitung. Dabei ist mir ein anderes Bild doch so vertraut, das Bild des gekreuzigten Jesus. Und das Kreuz überhaupt! Selbstverständlich bekreuzige ich mich, wenn ich einen Kirchenraum betrete, zu Beginn des Gottesdienstes, vor dem Gebet.

Unzählige Kreuze, Bilder des Gekreuzigten habe ich in Kirchen gesehen, in Wohnzimmern, Krankenhausfluren, Wegkreuze begleiten mich beim Wandern. Und nun erschrecke ich bei diesem Bild aus Syrien, kann die Schlagzeilen dazu in ihrer Grausamkeit kaum begreifen.

Ist das Kreuz dieses zentrale christliche Symbol, für mich womöglich zu einem harmlosen Zeichen geworden? Habe ich seine ursprüngliche Bedeutung vergessen?

Dabei spricht auch die Bibel davon, wie grausam der Mensch an diesem Folterinstrument Kreuz stirbt. Sie spricht auch von der Demütigung und Schande, die es im Alten Orient bedeutete, gekreuzigt zu werden:

Im Buch Deuteronomium oder dem 5. Buch Mose heißt es: Verflucht ist, wer am Kreuze hängt. Im Philipperbrief spricht Paulus von der tiefsten Erniedrigung, die der Tod am Kreuz für einen Menschen bedeutet.

Jesus hat an einem solchen Kreuz, den Tod besiegt, so glaube ich und bekräftige es im Glaubensbekenntnis: Weil er in seiner Liebe zu den Menschen auch diesen letzten Schritt getan hat. Ausgerechnet am Kreuz sollte sich so zeigen, wie sich Gewalt und Grausamkeit entlarven, überwinden, besiegen lassen.

So ist dieses Kreuz für die Christen sogar zu dem Erkennungszeichen geworden, zum Zeichen der Hoffnung.

Dieses Hoffnungs- und Siegeszeichen bleibt aber ein Kreuz, Zeichen der Gewalt und der Grausamkeit. Die Theologie spricht von einem Paradox. Und ich sehe im Bild des gekreuzigten Jesus zur Zeit auch die acht gekreuzigten Männer in Syrien. Das Kreuz ist wahrlich kein harmloses Symbol.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18365
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