SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Morgen ist Erntedankfest, und im Gottesdienst werde ich viele Kinder taufen. Besonders berührt hat mich die Geschichte einer Familie, die morgen ihr Kind zur Taufe bringt. Denn die Eltern sind getrennt, und bei der Taufe werden sie zum ersten Mal wieder gemeinsam feiern. Das ist keine einfache Herausforderung. Zwar verstehen sich die ehemaligen Ehepartner inzwischen wieder ganz passabel, beide haben neue Partner gefunden und sind glücklich, aber ihre Angehörigen können sich nicht besonders gut leiden. Wie soll es da mit der Feier klappen? Wir haben beim Taufgespräch ausführlich darüber gesprochen. Dann sagte die junge Mutter: Es ist doch ein Gottesdienst, da ist doch jeder eingeladen. Gott schließt niemanden aus. Dann dürfen wir das auch nicht. Und wenn wir den Gottesdienst schaffen, dann bekommen wir auch die Feier hin. Wir müssen uns ja nicht lieben. Nur miteinander feiern.
Es sagt sich so leicht: Wir trennen uns, bleiben aber gemeinsam Eltern. Ich habe Brautpaare erlebt, die in Tränen ausgebrochen sind, weil die geschiedenen Schwiegereltern es nicht ertragen konnten, in einem Raum zu sein. Ich habe erlebt, dass es nach der Konfirmation zwei Feiern gab, und der junge Konfirmand von der Feier bei seiner Mutter zur Feier bei seinem Vater hetzen musste. Ich habe Beerdigungen erlebt, bei denen die Angehörigen drohten, geschlossen die Trauerhalle zu verlassen, wenn der Exmann der Verstorbenen es wagen sollte, zur Trauerfeier zu kommen. Morgen bei der Taufe im Erntedankfestgottesdienst geschieht, hoffentlich, das Gegenteil. Eine junge  Frau ist über ihren Schatten gesprungen, hat sich anrühren lassen von der versöhnenden Kraft eines Gottesdienstes. Die Kirche morgen wird ein geschützter Raum sein, in dem zwei Familien erfahren dürfen, dass sie miteinander feiern können, ohne sich lieben zu müssen. Zum Gottesdienst gehört auch das Schuldbekenntnis. Wir werden an Gott und aneinander schuldig. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern bittet das Vater Unser. Wir müssen uns nicht lieben. Nur miteinander feiern. Und uns leben lassen.
Am meisten wird davon das Kind profitieren, das ich taufen werde. Was seine Familie morgen schafft, das wird sie auch bei der Konfirmation hinbekommen und bei der Hochzeit: Gemeinsam feiern. Einen Gottesdienst, und eine, hoffentlich wunderschöne, Familienfeier.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18360
weiterlesen...