Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die mörderischen Auseinandersetzungen in Afrika, in der Ukraine und Nahost hatten für den Prediger am vergangenen Sonntag alle eine gemeinsame Wurzel. Für ihn begannen sie alle mit der unseligen Unterscheidung in „Wir“ und „die Anderen“: Jede Konfliktpartei sieht sich als ein abgegrenztes „Wir“, das in tödlicher Feindschaft den jeweils „Anderen“ gegenübersteht. So lange es diesen Gegensatz gibt, kann es keinen wirklichen Frieden geben, weder auf der Weltbühne, noch im Privaten.

Um mit der Überwindung solcher Gegensätze anzufangen, schlug der Pfarrer ein Spiel am Mittagstisch vor: Die Teilnehmer sollten immer nach dem „größeren Wir“ suchen. Also „wir Kinder“ und „wir Eltern“ werden zu „wir Familie“; „wir Katholiken“ und „wir Protestanten“ werden zu „wir Christen“; „wir Christen“, „wir Muslime“ und „wir Juden“ werden zu „wir Gottgläubige“ und so weiter.

Der Pfarrer war sich sicher, dass dieses Spiel viele Konflikte kleiner macht und die feindliche Gegenüberstellung von „wir“ und den „anderen“ überwinden kann.

Nur auf den ersten Blick ist dieser Vorschlag naiv. Natürlich beendet er nicht abrupt gewaltsame Auseinandersetzungen, er macht die Verfolgung der Täter und den Schutz der Opfer nicht überflüssig. Aber diese Einladung zum Spiel beantwortet die Frage: Könnte es denn auch anders gehen? Sind die Gegensätze, die uns so selbstverständlich oder gar gottgewollt erscheinen, tatsächlich zwingend? Oder gibt es vielleicht doch das „größere Wir“, das wichtiger ist als die auch bestehenden Gegensätze?

Dieses größere Wir zu suchen, ist nur ein erster Schritt, noch keine Lösung. Es eröffnet lediglich die Richtung, in die die Schritte gelenkt werden könnten. Es ist eben zunächst nur ein Spiel, ein Gedankenspiel, das gewohnte Sach- und Denkzwänge in Frage stellt und frei macht, die Verhältnisse einmal anders zu sehen. Nur ein Spiel, nicht mehr - aber auch nicht weniger. Niemand muss es spielen. Aber wer es spielt, wird vielleicht seinen Ernst erkennen. Oder wie es der Pfarrer formulierte: Ein Christ sollte dieses Spiel niemals verlieren.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18329
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