SWR3 Gedanken

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Ich muss sagen, ich bin dankbar dafür, dass die US-Armee Erbil freigeschossen hat.
Den jesidischen Flüchtlingen einen Weg eröffnet und insgesamt der Stadt
eine Möglichkeit gegeben hat, Rückzugsraum zu sein für so viele, die fliehen:
Für syrische Kurden, für Christen aus dem ganzen Irak, für Schiiten;
für Menschen unterschiedlicher Kultur und Religion.
Zusammenleben war in den letzten Jahrhunderten in dieser Region eine Selbstverständlichkeit.
Und die Jesiden, die bis nach Mannheim geflüchtet sind,
berichten noch heute  fassungslos darüber wie sich ihre Nachbarn plötzlich
von Freunden zu Feinden verwandelten.
In Erbil gibt es noch ein deutsches Konsulat, zum Glück.
Denn hier können VISA-Anträge gestellt werden,
hier können Menschen versuchen, auszureisen, ohne sich Schlepperbanden
anzuvertrauen oder zu riskieren in Gummibötchen auf dem Mittelmeer,
ihre Kinder und sich selbst in Gefahr zu bringen.
Ein Glück also, dass die US-Armee hier zu Waffen gegriffen hat.
Oder?
Ich bin fest davon überzeugt, dass es Situationen gibt, in denen ich auch als Christin
sagen muss: Es gibt keinen anderen Weg als den der Gewalt.
Der Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt:
‚Man muss dem Rad in die Speichen fallen.
Und kann sich nicht nur um die Verletzten oder Getöteten kümmern.‘
Und ja, das bedeutet schuldig zu werden.
Denn Menschen zu töten, selbst wenn sie zur IS gehören ist keine Kleinigkeit.
Auch wenn sie gottlos sind, in ihrer fanatischen Überheblichkeit und gnadenlosen Brutalität.
Aber die Freiheit und die Verantwortung eines Christen bedeutet auch,
dass wir hier die Augen nicht verschließen dürfen vor der Not der Menschen.
Auch im Nichtstun und Schweigen, im Wegsehen von dem Morden,
liegt genau soviel Schuld wie im Griff zu den Waffen.
Und das gilt nicht nur für die IS. Das gilt auch für das Morden in Syrien.
Für den Diktator, der seine Bevölkerung gezielt aushungert und
Menschenschlangen vor Bäckereien beschießen lässt.
Es gibt keinen gerechten Krieg.
Und Gewalt produziert Gewalt.
Aber Wegsehen und Schweigen das kann Gott nicht gefallen.

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