SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Madeleine Delbrel, die französische Sozialarbeiterin,  war Tag für Tag der Not armer Leute ausgesetzt. In den slumähnlichen Verhältnissen des Pariser Vorortes hatte sie es allzu oft mit Menschen zu tun,  die an den Rand geraten waren, die unter Unrecht zu leiden hatten und wie Ausschuss-Ware der Gesellschaft erscheinen konnten. Ihre Spiritualität hatte deswegen nichts mit frommen Sprüchen zu tun, sondern war illusionslos konkret und praktisch zupackend. „Gott serviert uns die Umstände nicht wie Fertig-Gekochtes, Abgeschlossenes“, schreibt sie einmal. „Er reicht sie uns so, dass wir sie vollenden, dass wir daraus seinen Willen machen können.“ Ein schönes Bild: kochen müssen wir schon selber, alle Zutaten also  so zusammenstellen, dass es schließlich schmeckt.  Von Fertiggerichten und Vorgekochtem hält  Madeleine offenkundig nicht   viel. Ihr ist die Lust am Kochen wichtig,  und auch die Arbeit damit. Ohne das Bild von der christlichen Kochkunst gesagt:  Es gilt, Stellung zu nehmen und sich einzumischen. Wir können und dürfen nicht alles als schon gegeben hinnehmen. Jeder Tag stellt uns vor Entscheidungen. Und dahinter steckt schließlich immer die Frage nach dem Sinn des Lebens. Madeleine Delbrel ist da kompromißlos, z.B. wenn sie schreibt: „Man muss in der Todesmilieu dessen eingetaucht sein, dem unser menschliches Lieben gilt: In die Verwüstungen durch die Zeit, die allgemeine Gebrechlichkeit, die Todesfälle, den allmählichen Zerfall der Zeit, aller Werte, der sozialen Gemeinschaften, unserer selbst.“ Also nicht blinde Kuh spielen, sondern mit der ganzen Realität sich konfrontieren lassen, und alles ist vergänglich. Worauf ist wirklich Verlaß?  Was schmeckt wirklich und nährt?  Woran hänge ich mein Herz, und was treibt mich um? Madeleine Delbrel hat das richtige Rezeptbuch gefunden. Sie liest das   das  Evangelium, und entziffert es in den Umständen jedes Tages. Jeder Tag stellt  ihr  alle Zutaten bereit, damit es schließlich ein  schmackhaftes Essen gibt. Aber dazu braucht es  die Kunst, das Richtige auszuwählen. Und vor allem: es gilt, auf den Geschmack zu kommen.  Den Einladungen des Evangeliums zu folgen, heißt, einen Vorgeschmack zu bekommen von dem, was uns Gott uns täglich serviert  -  banale und spannende Ereignisse,   Zutaten,  die wir zum Kochen brauchen. Etwas von dieser göttlichen Kochkunst wünsche ich  Ihnen und mir.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18284
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