SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ein Kollege von mir hat die Angewohnheit, sich als Jahresbegleiter einen vorbildlichen Christenmenschen auszusuchen. Mal Mutter Theresa, mal Franz von Assisi, mal Angelo Roncalli – jedenfalls eine Gestalt aus Geschichte und Gegenwart, die einem etwas zu sagen hat und übers Jahr hin Vollwertkost anbietet. In diesem Sinne möchte ich  in dieser Woche den Blick auf eine Frau richten, die vor bald 50 Jahren in Paris gestorben ist: Madeleine Delbrel.  Mit 20 Jahren entdeckte sie die Lust am Christwerden, und noch in den letzten Notizen vor ihrem Tod unterstreicht sie, das sei das Glück ihres Lebens  geblieben. Die ganze Welt ins Gebet nehmen – so könnte man ihr Lebensmotto zusammenfassen. Jeden Tag als eine überraschende Botschaft Gottes interpretieren, jeden Tag neu sich überraschen lassen von dem, was auf uns zukommt, und das im Lichte Gottes gestalten – das sei ihre Freude und oft auch ihre Not. Nichts war ihr mehr zuwider als der Status quo, die bloß passive oder faule Hinnahme des Alltäglichen ohne das Licht des Evangeliums, ohne den Dialog mit Gott. Diese spirituelle Perspektive aber verändere  die Verhältnisse und Sichtweisen, das bringt Spannung ins Leben. Das Beeindruckende an Madeleine Delbrel ist ihre handfeste Spiritualität, ganz geerdet, höchst alltagstauglich, z.B. beim Fahrradfahren..

Die begeisterte Velo-Fahrerin macht daraus ein Gleichnis, indem sie betet: “Immer weiter, immer weiter!“ sagst Du zu uns in allen Kurven des Evangeliums. Um die Richtung auf Dich zu behalten, müssen wir immer weitergehen, selbst wenn unsere Trägheit verweilen möchte. Du hast für uns ein seltsames Gleichgewicht ausgedacht, ein Gleichgewicht, in das man nicht hinein kommt und das man nicht halten kann, es sei denn in der Bewegung, im schwungvollen Voran. Es ist wie mit einem Fahrrad, das sich nur gerade hält, wenn es fährt; es lehnt schief an der Wand, bis man es zwischen die Beine nimmt und davonbraust.“

Nichts ist demnach gefährlicher als Stillstand, da fällt man bekanntlich vom Fahrrad. Nur in der Bewegung nach vorn halten und gewinnen wir das Gleichgewicht. Genauso ist es im Leben, meint Madeleine Delbrel. Das Gleichnis vom Fahrrad-Fahren lädt dazu ein, den alltäglichen Glauben als Bewegung und Überraschung zu verstehen. Und das wünsche ich heute Ihnen und mir.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18281
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