SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

An diesem Wochenende gehen auch in den letzten Bundesländern die Ferien zu Ende; und die Schule fängt wieder an. In Stuttgart, wo ich lebe, sehe ich nächsten Montag wieder die Schulkinder, meistens voller Anfangseifer mit einem großen Schulranzen auf den Schultern und mit einer gehörigen Portion Neugier aufs Leben und die Welt. Obwohl ich ja selbst täglich zum Unterrichten in der Schule bin, mache ich mir manchmal das Vergnügen und versuche, die Schüler aus der Distanz zu beobachten, wenn sie morgens voller Eifer in die Schule einlaufen oder wenn sie nicht aufhören, Fragen zu stellen, weil sie die Welt verstehen wollen.

Wenn die Schule anfängt, versuche ich mich daran zu erinnern, was ein Pädagoge mal gesagt hat. Er hat beschrieben, was Kinder am meisten brauchen, wenn sie sich gut entwickeln sollen. Es ist das Gefühl, dass sie erwünscht sind.

Das stimmt. Viel wichtiger als alle Bücher, als der beste Unterricht und der kompetenteste Lehrer sind nämlich diese Situationen, in denen die Schüler merken, dass es um sie als Mensch geht, der gebraucht wird mit seinen Fragen und Ideen und seinem Eifer. Sogar wenn er Probleme macht. Das Leben ist eben keine Veranstaltung ohne Probleme. Manchmal verabschiede ich meine Schüler am Ende der Stunde an der Türe einzeln und per Handschlag. Wenn wir dann noch ein persönliches Wort wechseln, merke ich, dass dieser Moment noch etwas bewirken kann, was ich im Unterricht nicht schaffen würde. Damit zeige ich auch dem, der jetzt nicht für meine Stunde Feuer und Flamme ist, dass er als Mensch trotzdem für mich zählt.

Eins ist aber auch klar: Dass jeder das Gefühl braucht, erwünscht zu sein, gilt nicht nur für Kinder. Jeder alte Mensch, jeder Mensch mit Behinderung, jeder Erwachsene, der meint, erstmal was leisten zu müssen: Jeder braucht dieses Gefühl: Du bist erwünscht.

Und damit ich dieses Gefühl habe, braucht es oft keine großen Worte, sondern es sind die kurzen Begegnungen im Alltag, ein Blickkontakt mit der Person, die im Laden an der Kasse sitzt, oder mit dem Autofahrer, der vor mir in die Kolonne einbiegt. Es kostet mich nichts, außer ein bisschen Geistesgegenwart, wenn ich merke: Mir gegenüber ist ein Mensch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18267
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