Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ja, es ist eigentlich lächerlich. Aber trotzdem. Ich hänge an diesem Handtuch. Ja, es ist nicht mehr gut. Das sehe ich auch. Fäden hängen raus, die Farbe ist verblichen, der Stoff ist ganz dünn, man müsste es aussortieren. Aber es ist das Handtuch. Das erste Handtuch, das ich mir für meine eigene Wohnung gekauft habe. Das kann ich doch nicht so einfach zum Lumpen machen.
Kennen Sie sowas auch? Hängen Sie auch manchmal an solchen Dingen? An einem Handtuch? Einem Kuscheltier? Oder vielleicht einem Auto? Ich habe schon erwachsene Männer weinen sehen, als sie ihr Auto auf dem Schrottplatz abgestellt haben.
Im Grunde sind das doch alles leblose Sachen. Das Handtuch kümmert sich doch nicht um mich. Das Auto ist treuloser Verräter, es lässt sich von jedem fahren.
Und doch: Liebe ist manchmal einseitig und komplett irrational. Ich hänge an dem Handtuch - aber das Handtuch nicht an mir. Also behalte ich es. Obwohl es unsinnig ist.
So ähnlich geht das Gott manchmal mit mir. Ich kümmere mich nicht um ihn - aber er hängt trotzdem an mir. Ich denke gar nicht an ihn - und er kümmert sich trotzdem um mich. Obwohl ich so bin, wie ich eben bin. Ich gehe mit dem mit, der mir viel bietet. Ich lasse mich kaufen, wenn der Preis stimmt. Ich bin dünnhäutig und fadenscheinig, abgegriffen, der Lack ist bei mir auch schon ab und ich habe viele lose Fäden. Ich bin viele Wege nicht zu Ende gegangen, habe Beziehungen abgebrochen.
Aber Gott sortiert mich trotzdem nicht aus. Er stellt mich trotzdem nicht auf dem Schrottplatz ab. Er bleibt in meiner Nähe. Er repariert mich und macht mich wieder ganz. Wir alle sind seiner Liebe wert und werden so liebenswert in seinen Augen.
So wie das Handtuch in meinen Augen etwas Besonderes ist, so bin ich in den Augen Gottes einzigartig und wertvoll. Also lege ich das Handtuch wieder in den Schrank zurück. Und fühle mich in Gottes Haus auch aufgehoben.

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