SWR2 Wort zum Tag

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Er war einer der ganz wenigen, die Nein gesagt haben. Als heute vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg begann, hat Hermann Stöhr sich geweigert, mitzumachen:
Mir wie meinem Volk sagt Christus:'Wer das Schwert nimmt, soll durchs Schwert umkommen' (Matthäus 26,52). So halte ich die Waffenrüstungen meines Volkes nicht für einen Schutz, sondern für eine Gefahr. Was meinem Volk gefährlich und verderblich ist, daran vermag ich mich nicht zu beteiligen.“ So antwortete der Stettiner Staatswissenschaftler Stöhr dem Wehrbezirkskommando auf den Einberufungsbefehl.
Seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg hatten Stöhr zum Friedensaktivisten gemacht. Seinen im christlichen Glauben begründeten Pazifismus musste er mit dem Leben bezahlen. Im Oktober 1939 wurde er wegen Fahnenflucht zu KZ-Haft, im März 1940 wegen Wehrkraftzersetzung zum Tod verurteilt. Am  21. Juni wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Von seiner Kirche hatte Hermann Stöhr keine Hilfe zu erwarten. Im Gegenteil, schon 1931 verlor er wegen seines Eintretens für eine Aussöhnung mit Polen seine Stelle bei der Diakonie. Für seine Kriegsdienstverweigerung wurde er von der Kirchenleitung heftig gerügt. Die überwältigende Mehrheit der Christen in Deutschland zog 1939 – zwar nicht mehr jubelnd wie 1914, aber doch ohne Protest – in den Krieg. Und auch heute, 75 Jahre nach Stöhrs mutigem Zeichen, küssen Milizen in der Ukraine Kreuze und Ikonen, bevor sie in den Bürgerkrieg gehen.
Christ zu sein und für den Frieden einzutreten, das gehört leider nicht automatisch zusammen. Für mich ist deshalb der Mut von Hermann Stöhr ein wichtiger Anstoß. Dass ich es mir als Christin nicht zu leicht mache mit den unbequemen Aussagen von Jesus zur Feindesliebe – und sie nicht zu schnell als unrealistisch abtue. Auch wenn, das gebe ich zu, die ethische Urteilsfindung in Sachen Militäreinsätze heute kompliziert ist. Auf jeden Fall aber kann ich mich in meinem Umfeld dafür einsetzen, dass Vorurteile und Hass keinen Nährboden bekommen. Dass Kriegsopfer Hilfe bekommen – und dass diejenigen, die bei uns Zuflucht suchen, so gut wie möglich aufgenommen werden. Dafür muss ich nicht einmal besonders mutig sein.
Hermann Stöhr schlug in seinem Schreiben an das Wehrbezirkskommando 1939 vor, die Wehrmacht solle, statt in den Krieg zu ziehen, lieber humanitäre Hilfe leisten – „bis hin“, so wörtlich, „zur praktischen Betätigung von Feindesliebe“. Vor 75 Jahren bedeuteten diese Worte sein Todesurteil.

Das Originalschreiben an des Wehrbezirkskommando findet sich auf der Internet-Seite der Stiftung 20. Juli:

http://www.was-konnten-sie-tun.de/themen/th/den-kriegsdienst-verweigern/

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18238
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