Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ Das ist eine alte Gärtnerweisheit. Für den Hirnforscher Gerald Hüther ist es das passende Bild, um deutlich zu machen: Kinder haben heute zuviel Leistungsdruck. Und dieser Druck bringt gar nichts. Im Gegenteil, sagt der Wissenschaftler. Der Druck nimmt den Kindern die Lust zu lernen. Bei neugeborenen Kindern ist das noch ganz anders. Sie haben einen Riesenspaß, etwas zu lernen. Sie sind neugierig auf alles Neue, sie gehen auf Entdeckungsreisen. Nie wieder ist ein Mensch so entdeckerfreundlich wie am Anfang seines Lebens. Doch diese Lust und Begeisterung auf Neues wird vielen Kindern im Laufe ihres Lebens ausgetrieben. Weil sie ständig das Gefühl haben, nicht gut genug zu sein. Weil sie unter dem Dauerdruck stehen, immer besser werden zu müssen. Das treibt den Kindern die Freude am Lernen aus. Für Gerald Hüther ein Unding. Es kommt nicht darauf an, Kindern immer schneller immer mehr Wissen beizubringen. Viel wichtiger ist, dass sich Kinder die Freude am Entdecken erhalten. Dafür aber muss man Kindern Zeit lassen. Zeit, zu wachsen und sich zu entwickeln. Man muss ihnen Freiräume geben, die sie selbst gestalten können. In der Schule, aber auch außerhalb der Schule. Ich meine: Das gilt für Kinder, und es gilt auch für Erwachsene. In meiner Arbeit als Hochschulseelsorger begegnen mir Studierende, die das Studium so schnell und so erfolgreich wie möglich abschließen wollen. Manche setzen sich dabei gewaltig unter Druck. Sie verlieren die Lust am Studieren. Ihnen sage ich dann: Macht euch nicht verrückt. Lasst euch Zeit. Versucht zu entdecken, was für euch und euer Leben wichtig ist. Nutzt das Studium auch, um auf Entdeckungsreisen zu gehen. Denn nur wer sich nicht zu sehr unter Druck setzt, erhält sich die Lust, Neues zu lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18233
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