SWR2 Wort zum Tag

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28AUG2007
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Pausen

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In Rheinland-Pfalz sind die Ferien schon zu Ende, Baden-Württemberg hat noch eine Woche Zeit. So mancher kleine Rheinland-Pfälzer nutzt vielleicht schon seine frischen Mathematikkenntnisse um nachzurechnen, wieviel Tage es noch bis zu den Herbstferien sind. In der Schule habe ich mit den Kindern über freie Tage nachgedacht. Sie mochten zunächst gar nicht einsehen, warum ausgerechnet Sonntage wichtig sind. Doch bei der Vorstellung, selbst ohne Pause in die Schule gehen zu müssen, waren alle, ohne Ausnahme, ganz entsetzt. Selbst die sehr guten Schülerinnen und Schüler. Lernen ohne Pause - das sei ja schrecklich! In der Tat finde ich ein Leben ohne Pause sogar teuflisch. Wie gut, dass das die Kinder spüren. Zum Rhythmus unseres Lebens gehören Unterbrechungen dazu. Sie sind ein Gottesgeschenk! So sehr mir daher die Ausflüge und Unternehmungen in der Ferienzeit gefallen - ein bisschen Langeweile darf auch dabei sein. Ein Tag, an dem gar nichts geplant ist, an dem man einfach faul in die Sonne blinzelt, als Geschöpf in der Schöpfung, und vielleicht gerade so entdeckt, wie schön das Leben ist, das Gott uns geschenkt hat - schließlich hat Gott selbst, so erzählt es die Bibel, die Ruhepause erfunden und gesegnet..

„Hier macht niemand eine Pause“ erzählt mir ein Bekannter, der seit einigen Jahren in Vietnam lebt. „Wenn die jungen Leute von der Arbeit kommen, drücken sie noch freiwillig die Schulbank, um sich weiter zu qualifizieren“. Zunächst war ich ganz beeindruckt. In diesem Land Südostasiens wollen Menschen etwas lernen, sind bereit, dafür Zeit und Energie einzusetzen. Doch schnell fand ich diese Lebenseinstellung auch beängstigend. Wie schnell brennen Menschen aus, die sich keine Pause gönnen und denen auch keine Unterbrechung ihrer Arbeit gegönnt wird? Auch dann nicht, wenn sie eigentlich nicht mehr können. Gott Mammonn frisst seine Kinder, er kennt keine Barmherzigkeit und kein Mitleid. Ich denke an den Führer, der uns durch Hanoi lotste. Mühsam war ihm jeder Gang, wahrscheinlich hatte er die Parkinsonsche Krankheit. Genau weiß es niemand, seiner Familie will er nicht die teure Untersuchung zumuten, was nutzt ihm auch die Diagnose. Er wird weiterarbeiten, bis er tot umfällt. Zitternd führte er uns durch die Hauptstadt seines Landes. Pausen, Ferien, sie sind kein verzichtbarer Luxus, sie sind ein Teil unserer Würde. Einer Würde, die jedem Menschenwesen zukommt, auch dann, wenn er oder sie nicht arbeitet, sondern einfach nur lebt. Jeder Mensch braucht Tage, an denen er niemandem gehört, außer Gott.
Ich spüre, wie ich Unterbrechungen, Pausen zum Leben brauche. Auch nach den Ferien. Dann ist jeder Sonntag solche eine Atempause, ein Schutzraum, der meine Würde wahrt. Ein Gottesgeschenk, das mir hilft, Mensch zu bleiben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1823
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