SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Am Ende gewinnen halt doch die üblichen Verdächtigen. Das ist beim Fußball so, beim Nobelpreis oder beim Emmy.

Die Emmys sind vor wenigen Tagen verliehen worden. Mit dem Emmy Award werden herausragende Fernsehproduktionen in den Vereinigten Staaten ausgezeichnet. Emmy lässt sich mit dem Oscar für Kinofilme und dem Grammy für Musikproduktionen vergleichen. Und so geht der Emmy an die besten Fernsehserien, an Schauspielerinnen und Schauspieler, zeichnet die beste Regie und das beste Drehbuch aus.

Und wieder gehen vor allem die üblichen Verdächtigen als Sieger aus dem prestiegeträchtigen Rennen hervor. Das ist auch bei vielen anderen Preisen so. Überraschungen bleiben weitestgehend aus. Klar, auch bei den Emmys gibt es im Vorfeld immer wieder Kandidaten, die als unkonventionell gepriesen werden, die als jung, frisch, neu und anders gelten. Aber am Schluss räumen die Arrivierten die meisten Preise ab. In der Regel setzen sich die Favoriten durch.

Preisverleihungen wie der Emmy spiegeln das richtige Leben wider. Auch da setzten sich zumeist die Favoriten, die Starken durch. Die Leute mit den besten Seilschaften, den guten Kontakten, dem meisten Geld oder der größten Raffinesse. Ganz egal, ob es darum geht, eine Stelle zu besetzen, den Klassensprecher zu wählen, den Vereinsvorstand neu zu bestimmen. Überraschungen bleiben auch hier in der Regel aus.

Diese Tatsache bürstet ein biblischer Text gegen den Strich. Das sogenannte Magnifikat, das Lied, das Maria singt, nachdem sie erfahren hat, dass sie ein Kind bekommen wird. Hier sagt sie von Gott: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“ (Lk 1, 46-55) Ein frommer Wunsch? Ja. Aber auch mehr. Das Lied der Maria besingt die Hoffnung, dass sich die Welt ändert.  Dass auch die, von denen niemand redet, dass die an den Rand gedrängten und die Mittellosen gesehen werden. Gott, das sagt dieser Text, sieht genau diese Menschen. Er sieht auf die Verlierer, auf die Außenseiter.

Für mich ist das ein Aufruf gegen das Übliche, das Erwartete. Ein Aufruf, den Blick zu weiten – und mehr zu sehen als die üblichen Verdächtigen und Helden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18199
weiterlesen...