SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Das Beste für den Stressabbau ist wandern.“ Der Rat meiner Freundin erscheint mir komisch. Was soll so toll daran sein, einen Berg hinaufzulaufen, nur um dann wieder hinunterzulaufen? „Wenn du auf dem Gipfel ankommst, kommt das Glücksgefühl. Du hast es geschafft, den Berg bezwungen. Du bist ganz oben und kannst auf die Welt hinunterschauen, so wie Gott. Probiers einfach“! Ermutigt sie. Na gut. Probier ichs halt aus.

Und dann habe ich es geschafft. Ich stehe auf dem Gipfel und schaue hinab ins Tal. Aber was sich einstellt ist absolut kein Glücksgefühl. Im Gegenteil. Ich fühle mich total verloren angesichts der scheinbar unendlichen Weiten. Wiesen, Abhänge, Berge, Flüsse, weiter hinten sogar ein kleiner See. Es sieht unglaublich schön aus, aber ich fühle mich total verloren. Obwohl ich oben stehe und die ganze Welt mir scheinbar zu Füßen liegt. Das Gefühl ist kein bisschen göttlich. Ich schau hinunter auf das alles und fühl mich furchtbar klein. Winzig und sehr, sehr einsam. 

Enttäuscht mache ich mich an den Abstieg. Nach ein paar Metern ändert sich plötzlich meine Stimmung. Ich bin nicht mehr auf dem Gipfel. Jetzt ist die Welt nicht mehr unter mir, sondern auch über mir, neben mir, um mich herum. Ich setze mich ins Gras und spüre, wie sich mein Gefühl verändert.Ich gehöre dazu. Diese Welt ist groß, aber ich bin nicht irgendein kleiner Teil der in ihr verloren geht. Ich bin mittendrin. Ich gehöre dazu. Auch wenn ich mitten in dem großen Ganzen gar nicht auffalle.

Und dann stelle ich mir vor, wie Gott auf dem Berggipfel ruht und aus der Ferneauf die Welt herabschaut. Jetzt kommt mir dieses Bild total unsinnig vor. Für mich stimmt diese Vorstellung einfach nicht. Ich glaube, dass Gott den Menschen nahe sein will. Ich glaube, dass er bei uns ist, ob wir auf- oder absteigen, vor Freude hüpfen oder auf dem Weg straucheln. Dass er dazugehört und inmitten dieser Welt ist. Auch, wenn er in dem großen Ganzen meistens gar nicht auffällt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18192
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