SWR4 Abendgedanken

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Manchmal könnte ich die eigene Familie auf den Mond schießen. Es gibt Zoff mit den Verwandten und ich rege mich richtig auf. Trotzdem bin ich nur froh, wenn sich danach alle wieder vertragen. Streit ist okay, solange hinterher alle bereit sind, sich miteinander zu versöhnen.

Doch wovon hängt es ab, ob ein Familienstreit am Ende beigelegt werden kann? Mögliche Antworten finden sich in einer Geschichte im Alten Testament.

Da ist Josef, ein Jugendlicher, und seine älteren Brüder. Josef ist der Liebling seines Vaters, obwohl er den ganzen Tag vor sich hin träumt und keine große Hilfe ist. Die Brüder sind schon lange richtig eifersüchtig, ja, sie hassen Josef regelrecht. Dieses Nesthäkchen, das der Vater ständig bevorzugt. Josef besitzt eines Tages auch noch die Frechheit, von seinen selbstherrlichen Träumen zu erzählen. In seinem Traum verneigen sich Sonne, Mond und Sterne tief vor ihm.

Jetzt haben die Brüder endgültig genug. Was bildet sich dieser Josef eigentlich ein? Die ganze Welt und alle Sterne sollen sich vor ihm verneigen? Ist der jetzt völlig übergeschnappt?

Bei nächster Gelegenheit lassen die Brüder ihrem Zorn freien Lauf. Sie packen Josef und verkaufen ihn als Sklaven an die Händler einer Karawane. Dem Vater erzählen sie einfach, wilde Tiere hätten Josef gefressen.

Echt fies, diese Brüder. Verkaufen ihren eigenen Bruder als Sklaven und lügen dem Vater dreist ins Gesicht.

Nach vielen Jahren begegnen sie ihrem kleinen Bruder Josef wieder. Er hat es inzwischen in der Fremde zu etwas gebracht, und sie brauchen seine Hilfe. Trotz allem, was sie ihm angetan haben, kann er ihnen verzeihen und hilft ihnen. Auch sein Vater,  der Josef über viele Jahre für tot hielt, kann ihn wieder in die Arme schließen.

Ich finde, da gehört ganz schön viel dazu. Und ich kenne viele Beispiele, wo sich Familien nie wieder aussöhnen. Das Zauberwort heißt „vergeben“ – und das ist manchmal echt Schwerstarbeit. Josef braucht dafür Gottes Hilfe, aber er muss auch selbst etwas dafür tun: er muss sich seiner eigenen Geschichte stellen, muss sich eigene Fehler eingestehen. Und er muss letztlich über den eigenen Schatten springen, sich frei machen von Rachegefühlen.

Nur so kommt es in dieser Familiengeschichte zu einem Happy End.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18145
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