SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Als ich vor kurzem die Bestattung einer älteren Dame zu halten hatte, ist mir überraschenderweise ein Kinderlied begegnet. Das Lied, das sich die Angehörigen gewünscht hatten, war: „Weißt du, wie viel Stern’lein stehen an dem blauen Himmelszelt“ Das Lied hatte die Familie in den letzten Lebenstagen der alten Dame oft mit ihr gesungen. An diese Worte konnte sie sich auch dann noch erinnern, als Altersschwäche und Demenz ihren Geist verdunkelt hatten. „Gott, der Herr, rief sie mit Namen“ und: „Kennt auch dich und hat dich lieb“ – so gehen die Strophen weiter, und die hat sie wohl immer wieder vor sich hin gesungen.

Das Lied hat einen biblischen Bezug: Es nimmt einen Vers aus dem Buch des Propheten Jesaja auf, der heißt: „Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt das Sternenheer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.“ (Jes. 40,26).

Das ist ein wunderbar tröstlicher Gedanke: Gott ruft die Geschöpfe beim Namen, selbst die unzählbaren Sterne – um wie viel mehr dann seine Menschenkinder. Das beruhigte und tröstete die alte Dame: Gott ruft mich beim Namen. Gott ruft mich heraus und führt mich ins Weite. Ich werde nicht verloren gehen.

Dieser Trost ist für mich nicht erst am Ende des Lebens wichtig, sondern schon mittendrin. „Gott ruft mich beim Namen!“ – Dieser Trost entgegnet Gedanken wie diesen: „Mich kennt hier sowieso niemand. Ich bin nur ein winziges Rädchen im Weltgetriebe. Auf mich kommt es nicht an. Ist doch egal, was ich tue.“

In der Schule, am Arbeitsplatz, zuhause: kein Ort ist davon ausgenommen, dass man sich so fühlen kann. Wenn man das Gefühl hat, man kann da sein oder auch nicht – es macht keinen Unterschied. Wenn es einen ganz verzagt macht, dass alles immer weiter läuft und man nur zwei Möglichkeiten hat – entweder mittun oder untergehen. Wenn man zu spüren meint, dass sich niemand für einen interessiert. Wenn man merkt: Ich bin eingespurt in meinem Leben, ich laufe inzwischen einfach nur mit. Dann in der beruflichen Laufbahn doch noch etwas ändern? Schwierig. Oder: Sich herausheben aus der Masse, indem man sich als Mann doch auf familiäre Verpflichtungen oder etwas Soziales ohne Renommee einlässt? Was werden da die anderen denken!

Gegen solche Empfindungen hält der Gedanke: Gott ruft dich beim Namen, ruft dich heraus und sagt: Auf dich kommt es an – auf deine Kraft, deine Phantasie, deine Begabung, darauf, dass du da bist.

Gott ruft uns mit Namen. Das macht furchtlos, und es führt uns ins Weite, sagen die biblischen Glaubenszeugen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1814
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