SWR2 Wort zum Tag

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Der Kabarettist John Doyle hat mit seinem Buchtitel ins Schwarze getroffen: »Die Welt ist eine Bandscheibe« heißt sein humorvolles Buch über ein allgegenwärtiges Leiden. Denn John Doyle hat »Rücken«, seine Bandscheibe macht ihn zum Patienten.

Wer mal Schwierigkeiten mit der Bandscheibe oder der Wirbelsäule hat, der weiß: Das ist nicht nur einfach eine Krankheit. Schmerzen im Rücken bestimmen alles, den ganzen Tag, die kleinsten Bewegungen, das Denken und Fühlen. Die Welt schrumpft zusammen: auf die Bandscheibe. Schließlich hindert mich die Krankheit daran, ‚normal‘ zu leben, all das zu tun, was ich sonst tue. Erst in solchen Momenten allerdings merke ich, wie selbstverständlich ich den Umstand hinnehme, dass ich nicht krank bin.

John Doyle spielt mit dem Buchtitel »Die Welt ist eine Bandscheibe« auf eine Weltsicht an. Die Weltsicht, dass die Erde eine Scheibe sei. Oft wird diese Weltsicht mit Christopher Kolumbus verbunden. Doch zu seiner Zeit, Ende des 15. Jahrhunderts, war den meisten gebildeten Menschen klar, dass die Erde eine Kugelform besitzen muss. Dass ein Schiff am Horizont verschwindet, aber eben nicht weg ist, erlebten die Seefahrer selbst. Um die Erde zu segeln war also weder Wahnsinn  noch ein Selbstmordkommando. Die Idee, dass die Erde eine Scheibe ist, steht allerdings für eine Weltsicht. Eine Sicht, nach der die Erde im Mittelpunkt des Weltalls steht, eine Sicht, in der sich die Europäer im Zentrum dieser Scheibe wähnten.

Ganz ähnlich, wie für den kranken Menschen die eigene Krankheit zum Mittelpunkt der Welt wird. Ganz zu recht. Ich erlebe das selbst: Wenn ich dauernd Schmerzen habe, wenn mich meine Krankheit quält, dann muss ich ja an sie denken, dann kreist mein Leben um diese Krankheit wie die Erde um die Sonne.

Das Buch »Die Welt ist eine Bandscheibe« spielt auf all das an. Aber es liefert noch mehr. In vielen witzigen Episoden geht Doyle auf Distanz zu seinem Rücken, seinen Bandscheiben. Klar, die quälen ihn, aber er kann trotzdem Witze machen. Über sich, die Ärzte, den Körper des Menschen, den dauernden und meist vergeblichen Versuch, endlich ein paar Kilo abzunehmen und dadurch den Rücken zu entlasten. Lachen trotz Schmerzen, davon erzählt Doyle, ist eine starke Medizin – weil auch das Lachen einen Blickwechsel erlaubt. Das Lachen hilft mir, über den Rand der Scheibe hinauszublicken, auch über den Rand der Bandscheibe.

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