SWR2 Wort zum Tag

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Manchmal denke ich, wir machen es auch nicht anders als Kain und Abel. An einem Tag bin ich mit mir zufrieden. Dann, wenn mir etwas gelingt. Wenn etwas vorwärts geht. Und am anderen Tag habe ich den Eindruck, dass alles gegen mich läuft. Und ich meine Energien umsonst verpulvere. Wenn ich dann wahrnehme, wie meine Mitmenschen meine Reaktionen noch verstärken, dann wirkt das wie ein Gottesurteil. Das eine Mal sollte es so sein. Und das andere Mal eben nicht.

Diese Gedanken sind mir neulich durch den Kopf gegangen. Da ist mir nämlich ein Bibel-Comic in die Hände gefallen. Gleich ganz vorne haben die Bilder der  Geschichte von Kain und Abel meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zwei Altäre sind zu sehen, auf denen die beiden ihre Opfer darbringen. Über dem einen Altar steigt der Rauch nach oben. Beim anderen bleibt er am Boden. Von den schönsten Früchten des Feldes hat Kain geopfert, so wird erzählt. Abel opfert von den besten Tieren seiner Herde. An Abels Opfer – so erzählt die Bibel - findet Gott Gefallen. An Kains Opfer nicht. Warum das so ist, wird nicht berichtet. Über keinen der beiden Brüder wird ein Urteil gefällt. Schon gar keines, das den einen als gut und den anderen als böse erscheinen lässt.

In der biblischen Vorlage für den Comic steht übrigens nichts vom Rauch, der nach oben steigt. Oder am Boden entlangschleicht. Das haben die Zeichner des Comic hinzugefügt. Und viele andere Maler der Kunstgeschichte auch. Sie wollen so zum Ausdruck bringen, dass Gott an Abels Opfer Gefallen findet. An dem von Kain aber nicht.

Kain will das so nicht hinnehmen. Er setzt sich zur Wehr. Auf entsetzliche Weise. Vor Neid und Ärger bringt er seinen Bruder um.

Wäre ich Kain vor seiner schrecklichen Tat begegnet, ich hätte versucht, ihm folgendes klar zu machen: Lieber Kain, hätte ich ihn angesprochen, wenn du meinst, Gott hat keinen Gefallen an deinem Opfer, dann ist das ein Irrtum. Es ist deine Deutung. Oder auch die der Menschen um dich herum. Du brauchst nicht Gott dafür verantwortlich zu machen, wie es dir heute geht. Um dann womöglich auch noch die falschen Konsequenzen zu ziehen.

Niemand hat Kain vor seiner schrecklichen Tat bewahrt. Aber wenn mein Tag wieder einmal anders verläuft als ich es gerne hätte, dann möchte ich mich erinnern lassen, dass sich der Wind des Lebens auch wieder drehen kann. Und – im Bild des Comics - mein Rauch dann wieder nach oben steigt. Damit ich nicht vorschnell ein Gottesurteil wittere, wo die Verantwortung nur bei mir selber liegt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18125
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