SWR2 Wort zum Tag

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Als ich die Physiotherapiepraxis zum ersten Mal betrete, bin ich schon überrascht. Im Eingangsbereich steht unübersehbar eine Buddha-Figur. In verschiedenen Räumen sind noch weitere kleinere Exemplare zu finden. Übrigens nicht nur in der Physiotherapiepraxis. Auch im Schwimmbad, in der Hausarztpraxis – an vielen Orten stoße ich neuerdings auf Buddha-Figuren. Ich frage eine Physiotherapeutin und bekomme zur Antwort: Die sorgen für eine gute Balance der Gefühle. Das hilft beim Gesundwerden. Ich spreche andere Therapeuten darauf an. Eine Mitarbeiterin in der Arztpraxis - niemand von den Befragten weiß Näheres von Buddha zu berichten. Eine der Verantwortlichen in der Praxis ergänzt. „Ich kann hier doch kein Kreuz mit einem Toten aufhängen. Unser Thema ist das Leben.“

Ich werde da schon nachdenklich. Ein religiöses Symbol wird da einfach in eine Ecke des Raumes gestellt. Als Raumaccessoire gewissermaßen. Das Symbol einer eher unbekannten Religion als Wohlfühlelement! Auch christliche Symbole sind vor diesem Schicksal nicht gefeit. Denn auch das Kreuz wird oft einfach als Schmuckstück um den Hals getragen. Der Satz eines asiatischen Christen kommt mir in den Sinn, der einmal gesagt hat: Manche Christen tragen das Kreuz um den Hals wie die Geschäftsleute in Hongkong ihre Aktentaschen.

Soll ich jetzt die Physiotherapiepraxis wechseln? Oder für das Entfernen von Kruzifixen plädieren? Weder das eine noch das andere habe ich getan. In der Praxis haben meine Fragen zum Nachdenken angeregt. Zumindest bei einigen. Noch immer stehen die Buddha-Figuren da. Aber ich werde plötzlich nach meiner christlichen Überzeugung befragt. Statt der Wohlfühlathmosphäre ist plötzlich Religion das Thema. Der Sinn der christlichen Symbole. Und ich kann erklären, welche Vorstellungen mit dem Zeichen des Kreuzes verbunden sind.

Auch da steckt einiges drin, das Menschen beim Gesundwerden unterstützen kann. Wenn ich entdecke: Der zerplatzte Traum ist kein endgültiges Urteil über mich. Die zerstobene Hoffnung macht neues Hoffen nicht unmöglich. Der Tod macht nicht einfach einen Strich durch ein Menschenleben. „Meine Kraft ist im Schwachen mächtig“ (2. Korinther 12,9) – so beschreibt die Bibel diesen Zusammenhang. All diese Erfahrungen „stecken“ im christlichen Zeichen des Kreuzes. Wenn ich jetzt die Praxis betrete und den Buddha sehe, verstehe ich etwas mehr von den Sehnsüchten der Menschen, die dort arbeiten. Und ich bin sicher: Gleich werde ich wieder zu meinem Glauben befragt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18123
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